Es muss ja nicht gleich Biersuppe zum Frühstück sein …!

Die Aktienbrauerei an der Veldener Straße

Die alte Tradition der kommunalen Bierbrauerei soll in Vilsbiburg wiederbelebt werden.

Bier, Brauereien und Gastwirtschaften bedeuten für einen Ort viel mehr als bloße Versorgung mit Alkoholischem. Wird eine Genossenschaftsbrauerei auf dem Haslbeckgelände verwirklicht, könnte das zu einer Belebung der Innenstadt beitragen.

2001 schloss in Vilsbiburg die letzte Brauerei – eine Situation wie seit mindestens 800 Jahren nicht mehr. Mit der geplanten „Genossenschaftsbrauerei“ auf dem Haslbeckgelände könnte sich das wieder ändern.

Ob „henquet“ in Ägypten, „schechar“ bei den Israeliten oder Cervisia bei den Kelten, das Mälzen von Getreide, das Vergären und Kochen des Suds – und das Trinken des rauschhaften Getränks wird seit Tausenden von Jahren in nahezu allen Kulturen praktiziert.

Die erste urkundlich belegte (Kloster-) Brauerei in Mitteleuropa wurde im 8. Jahrhundert in St. Gallen betrieben. Das Bier wurde seit dem Mittelalter zu einem Grundnahrungsmittel für alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Auch Kindern gab man Bier zu trinken, war es doch durch das Erhitzen des Suds weniger mit Keimen belastet und darüber hinaus natürlich nahrhafter als Wasser. Die verschiedenen Starkbierfeste während der Fastenzeit verweisen noch heute auf die einst wichtige Funktion des Biers als Nahrungsmittel.

Brauen war übrigens wie das Brotbacken im ausgehenden Mittelalter Frauensache. Ein Braukessel gehörte als Grundausstattung zur Aussteuer der Braut.

Noch bis weit ins 19. Jahrhundert war es durchaus üblich, zum Frühstück eine Biersuppe zu sich zu nehmen, Kaffee setzte sich erst spät durch, für viele war er einfach zu teuer. Auch während des Tages trank man Bier, meist allerdings eher billigeres und weniger starkes „Dünnbier“.

So war der Preis für dieses Getränk für das Volk stets von großem Interesse. Eine Erhöhung um Pfennige konnte große Empörung hervorrufen. Regelrechte Aufstände und Krawalle in verschiedenen Orten, z.B. in München 1844 oder in Dorfen noch 1910 zeigen das nachdrücklich.

Aber auch für die Obrigkeit war der Bierpreis sehr wichtig. Gerade weil Bier in allen gesellschaftlichen Schichten beständig konsumiert wurde, war die Biersteuer eine bedeutende Einnahmequelle und der Import „fremder“ Biere wurde deshalb – auch mit Hilfe verschiedener Herstellungsanweisungen – konsequent unterbunden.

Wir kennen sicher nicht alle, die im Lauf der Jahrhunderte in Vilsbiburg Bier gebraut haben, nicht alle sind urkundlich erwähnt. Die Besitzer wechselten im Lauf der Jahrhunderte oft. Der „Forsthuberbräu“ (stillgelegt 1918) der „Hoferbräu“ in der Kastlgasse (bis 1965), der „Wurzerbräu“ im Stammlergebäude, der „Federbräu“ und viele andere brauten über lange Zeit lokales Bier in Vilsbiburg, sind aber nach und nach verschwunden. 2001 schließlich wurde auch die „Aktienbrauerei“ an der Veldener Straße stillgelegt, die letzte Brauerei in der Stadt.

Noch im 19. Jahrhundert beherbergte die Stadt bis zu 16 Brauereien und viele Gasthäuser. Allerding brauten nur 4 Brauereien allein, 9 betrieben sogenannte „Communbrauhäuser“, zwei hatten sich zusammengetan, um Bier herzustellen. 1923 gründeten die Brauer und Kaufleute Urban, Haslbeck, Trappentreu und Graf von Seyboldsdorf die Aktienbrauerei.

Auf dem Haslbeckgelände, das jetzt im Gespräch ist für den Standort einer „Genossenschaftsbrauerei“ stand allerdings nie eine Brauerei, hier waren lediglich die Sudhäuser und Speicher verschiedener Brauer untergebracht.

Vom Brauereigasthof Haslbeck aus reihten sich die Gasthöfe den Marktplatz hinauf wie an einer Perlenschnur. Sie waren die Existenzgrundlage für die meisten Kleinbrauereien. Bis 1897 fand sich benachbart der „Neuhofer-Bräu“. in dem später bis 1974 das Finanzamt untergebracht war. Nach dem alten Rathaus luden die beiden sogenannten „Winkler-Gasthäuser“ ein, weiter Richtung Oberes Tor fanden sich das „Gasthaus zur Post“ und die Weinstube Martin Schmeißer. Auch in der Oberen Stadt gab es für die Zecher noch genügend weitere Lokale, vom Aschenbrenner-Saal, heute ein Areal mit Wohnungen und Geschäften, wie der Buchhandlung Koj bis zum stattlichen Bräuanwesen des Simon Eckart, in dem heute unter anderem eine Praxis für Physiotherapie untergebracht ist und andere mehr.

 „Goldenes Kreuz“, „Peterhans“ , „Schmiedwirt“ oder „Sterngarten“, den Älteren werden viele dieser Gasthäuser, in denen lokales Bier ausgeschenkt wurde, noch bekannt sein. Die meisten von ihnen sind inzwischen verschwunden. Geschlossen wurden in den letzten Jahrzehnten auch die verschiedenen Kellerwirtschaften, wie der „Stammler/Dirriglkeller(2002), der Haslbeckkeller (2005), der „Raabkeller“ (2007), der „Schöxkeller“ (2000) oder der „Schweiblmeierkeller (2000).

Damit gingen nicht nur Freizeit-und Ausgehmöglichkeiten verloren, sondern auch Vielfalt und Kulturgüter, die Leben und Region über lange Zeit geprägt haben.

Auch so gesehen greift die Idee, eine Genossenschaftsbrauerei auf dem Haslbeckgelände zu errichten, eine alte Tradition wieder auf, wie sie im Übrigen auch in vielen anderen Orten üblich war. Zwar hat sich die Bedeutung des Biers und der Gasthäuser im Vergleich zu früheren Zeiten stark gewandelt, noch immer aber bringen sie Menschen zusammen, knüpfen an frühere Zeiten an – und, für die Situation vieler Innenstädte ganz wichtig – beleben die Stadtkerne, denn sie sind schon immer mehr als bloße Bierschwemmen. Sie waren und sind Orte geselligen Zusammenseins, Zentren für Familienfeste und Feiern.

Nicht nur historisch gesehen, auch ganz heutig könnte also eine Genossenschaftsbrauerei mit Gaststätte der Stadt und ihren Bewohnern von großem Nutzen sein und zur Stadtentwicklung auch für die Zukunft beitragen: Keine schlechten Aussichten für ein altes Kulturgut.

Wer allerdings nicht warten will, bis das Haslbeckgelände bebaut und eine Genossenschaftsbrauerei gegründet ist, der kann sich im Heimatmuseum Vilsbiburg schon vorab mit der Geschichte der Gastwirtschaften und Brauereien in Vilsbiburg beschäftigen. Das Museum bietet in einer eigenen Abteilung zum Brauwesen und Gastwirtschaften vor Ort viele weitere Informationen zum Thema. Aber auch zu vielen anderen Handwerksberufen – und natürlich besonders zur Hafnerei finden sich zahlreiche Objekte und Erläuterungen. Die aktuelle Sonderausstellung zum „Zwiefachen“ wird bis zum 27. März 2022 verlängert.