Menu Content/Inhalt
St.Ulrich Dietelskirchen

Das Gotteshaus dem Erdboden gleichgemacht

 

Vor 87 Jahren verschwand mit St. Ulrich in Dietelskirchen ein uralter Kirchenbau

 
 
 

Im Jahr 1905 vermittelte die Pfarrkirche St. Ulrich in Dietelskirchen eigentlich noch einen recht soliden Eindruck. Rechts im Hintergrund erkennt man die Krüglmühle. (Foto: Archiv Heimatmuseum Vilsbiburg)

 

Es war sicher keine leichte Entscheidung für die Kirchengemeinde im Tal der Kleinen Vils, sich von dem vertrauten Gotteshaus zu trennen. Dort wurde man als junger Erdenbürger getauft, schloss in ihr den Bund der Ehe, erlebte man regelmäßig Gottesdienst und es war klar, dass einst als letzte sakrale Handlung an diesem Ort auch die Totenmesse gefeiert werden würde. Das Bauwerk war das Zentrum des geistlichen und kulturellen Lebens der Gemeinde. Und nun sollte der Andachtsort abgerissen werden! Als Dr. Anton Eckardt im Jahr 1921daran machte, alle Kunstdenkmäler des Bezirksamtes Vilsbiburg zu erfassen, nahm er auch die frühere Pfarrkirche St. Ulrich in sein Werk auf. Ein Foto zeigt das Kirchlein, umgeben von einem Friedhof mit alten Grabdenkmälern. Eckardt schreibt, das Gebäude sei gegenwärtig nicht genutzt, die Einrichtung aufbewahrt. Dennoch widmet er dem Bauwerk in dem Band Vilsbiburg der „Kunstdenkmäler Bayerns“ fast eine Seite Text. Die neue, in den Jahren 1912/14 erbaute Pfarrkirche Maria Immaculata erwähnte der Kunsthistoriker gerade mal mit drei Zeilen.

 

Nahtstelle von Romanik zur Gotik

St. Ulrich gehörte zu den ältesten Kirchen im Vilsbiburger Land. Sie stammte aus dem späten 13. Jahrhundert, als man noch im romanischen Stil baute, aber auch schon behutsam Elemente der aufziehenden Gotik einfließen ließ. Bemerkenswert war die Anordnung des Altarraums. Er befand sich im Erdgeschoss des behäbigen ungegliederten Turms mit seinem schlichten Satteldach. Als Dr. Eckardt durch das barocke Pilasterportal an der Westseite das Innere der Kirche betrat, fand er ein Haupt- und ein nördliches Seitenschiff vor. Ein einfacher quadratischer Pfeiler trennte die beiden Bauteile. Die ursprünglich wohl rundbogigen Fenster des Langhauses und der Chorbogen waren barock verändert. Über dem Bogen befand sich ein von zwei Engeln gehaltener Vorhang aus Stuck mit einem Medaillon in der Mitte. Das Langhaus und der Altarraum wurden durch flache Decken abgeschlossen, die teilweise mit bemalten Stuckaturen verziert waren. Den Plafond des Altarraumes zierte ein Gemälde mit Szenen aus dem Leben des Heiligen Ulrich. Der Umbau des Innenraumes ist in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg erfolgt. Dr. Eckardt fand noch zwei Zahlen, die über die Jahre der Neugestaltung Auskunft gaben: 1660 und 1678. In dieser Zeit wurde auch die gesamte Einrichtung erneuert.

 

Die Kirche ist zu klein und baufällig

Als im Februar 1912 Pfarrer Josef Huber feierlich in Dietelskirchen einzog, nahm er sofort den Neubau der Kirche in Angriff. Die Ulrichskirche war für die rund 500 Seelen der Kirchengemeinde zu klein geworden und befand sich in einem schlechten Zustand. Allerdings hatten schon Hubers Vorgänger, Georg Brunner und Benedikt Kummer sowie Kirchenpfleger Johann Liebl bereits wichtige Vorarbeiten realisiert. Sonst hätte man bei aller Tatkraft nicht schon im folgenden Mai der Grundstein legen können. So wuchs in den kommenden Monaten der Bau nach den Plänen des Münchner Josef Elser jun., der in Vilsbiburg ein Planungsbüro betrieb, an seinem neuen Standort. In den Turmknauf der neuen Pfarrkirche legte Pfarrer Huber ein Schriftstück ein, in dem er bereits seine Sorge ausdrückte, es drohe wegen der politischen Spannungen auf dem Balkan ein europäischer Krieg. Gerade noch in Friedenszeiten, am Karsamstag des Jahres 1914, konnte man das Allerheiligste aus der alten Kirche in das neue Gotteshaus überführen.

 

Obwohl bei der Grundsteinlegung der Kirche Maria Immaculata 1912 noch schriftlich bekundet wurde, das alte Ulrichskirchlein sei aus historischen Gründen zu erhalten, betrieb man nach dem Krieg seine Beseitigung. Im Juli 1921 genehmigte die Regierung von Niederbayern den Abriss und schon im März darauf war das Langhaus niedergelegt. Nun erhielt man eine zusätzliche Bestätigung für den desolaten Bauzustand: Ursprünglich war geplant, aus dem Abbruch Material für die neue Friedhofsmauer zu gewinnen. Doch die Ziegelsteine erwiesen sich selbst dafür als ungeeignet. Einige Zeit stand nun noch der Turm etwas verloren in der Vilsaue und es entstand eine Diskussion, wenigstens diesen zu bewahren. Doch die Pfarrgemeinde erklärte sich außerstande, für den Bauunterhalt aufzukommen. Im November 1922 erinnerte dann nichts mehr daran, dass am Ufer der Vils einmal ein romanisches Kirchlein stand. Auch die vom bischöflichen Ordinariat vorgeschlagene Aufstellung eines Kreuzes an dem Standort des Gotteshauses unterblieb. Nun musste nur noch das eingelagerte Innenleben der Kirche verwertet werden. Mit Genehmigung des Ordinariats wurden für 3.000 Mark ein Rokokotabernakel, der Hochaltar, zwei Seitenaltäre, die Kanzel, ein Beichtstuhl und mehrere Heiligenfiguren nach Bernried in der Pfarrei Stamsried bei Kötzting abgegeben. Mit dabei waren auch 14 Kreuzwegstationen, die vom Landesamt für Denkmalpflege als „bäuerlich derb, aber originell“ bezeichnet wurden.

 

Strahlender Jugendstil

Die Mitglieder der ländlichen Kirchengemeinde müssten den Umzug als weite Zeitreise empfunden haben. Sie wurden an diesem Karsamstag 1914 von der schlichten Romanik und der Formensprache des Hochmittelalters in die avantgardistische Moderne des erst wenige Jahre zuvor entstandenen Jugendstils katapultiert. Aus Beengtheit und Düsternis gelangten sie mit wenigen Schritten in die Welt der blumigen Ornamente, in einen großen Saal mit hohen, bunten Fenster, durch die das Licht immer wieder neue Effekte in den Raum zauberte. Es ist nicht überliefert, wie die sonst so konservativen Vilstaler darauf reagierten. Der Architekt Josef Elser jun. hat es mit dem seltenen Jugendstil-Juwel zumindest zu einem Eintrag in der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ gebracht.                                 Peter Barteit

 

 

 
pfarrkirche_vib4.jpg