Vilsbiburg. Sehr harmonisch dürfte die Stimmung in den Mauern des Schlosses Haarbach nicht gewesen sein, als dort am 14. Oktober 1812 ein Sohn des Barons zur Welt kommt, der auf den Namen Johann Eduard Franz Xaver Calistus von Schleich getauft wird. Im Wochenbett liegt nämlich keineswegs die Schlossherrin, dafür aber die Haushälterin Clara Käfer. Der Vater adoptiert den unehelichen Sohn gleichwohl. Auch in der folgenden Zeit gibt es auf dem Herrensitz wenig Anlass zu Fröhlichkeit. Wegen der misslichen finanziellen Lage sieht sich die Familie im Jahr 1817 gezwungen, den Besitz zu veräußern und nach München zu übersiedeln, wo der Vater eine Stellung als Stadtgerichtsrat erhält. Eduard Schleich soll Schuster werden Im Alter von 15 Jahren schafft der Jüngling klare Verhältnisse: Er legt seinen Adelstitel ab, „weil ihn fortan die Kunst adelt“ und schreibt sich am 30. Mai 1827 an der Akademie der Bildenden Künste in München für das Fach Historienmalerei ein. Doch die dort herrschende heroische Kunst-Auffassung des Direktors Peter von Cornelius kann Schleich nicht begeistern. Dass der junge Niederbayer von der Akademie nach kurzer Zeit wegen völliger Tatenlosigkeit entlassen wird, ist also nicht weiter verwunderlich. Der Leiter der Akademie legt Schleich zum Abschied nahe, er solle doch lieber Schuster werden. Es spricht für die Charakterstärke des jungen Mannes, dass er von dem vernichtenden Urteil nicht entmutigt wird. Vielmehr nimmt er auf eigene Faust den Kampf für eine neue Sichtweise der Malerei auf. Dabei vollzieht er eine radikale Abkehr von der klassischen Auffassung einer monumentalen Landschaft, die nie der Wirklichkeit entspricht. Berühmte Weggefährten Die ersten Naturstudien macht Schleich in der Gegend von München und im bayerischen Voralpenland. Bereits in diesem frühen Stadium erkennt der renommierte Kunstkritiker Hermann Uhde-Bernays „…eine immer stärker entwickelte Anlage für die proportionale Einteilung des Geländes … in einer auf vorzüglicher Beobachtung fußenden malerisch angebenden Wirkungsberechnung.“ Mit Christian Morgenstern reist Schleich 1842/43 durch Tirol und Italien; 1851 startet er mit Carl Spitzweg, der sich ebenfalls das Malen selbst beibringt, zu einer großen Tour durch Westeuropa. Im Louvre studieren sie die alten Meister, halten sich längere Zeit in der berühmten Malerkolonie von Barbizon bei Paris auf, besuchen in London die erste Weltausstellung und lassen sich in den Niederlanden und Belgien von den Werken des Peter Paul Rubens inspirieren. Der Erfolg dieser Exkursion schlägt sich in Schleichs Werken sichtbar nieder. Hat er bis dahin noch vorwiegend mit grüngrauen Farben und in lasierender Technik gearbeitet, verwendet er nachher eine wärmere, zu Goldtönen neigende und somit realistischere Farbgebung. Eines der Hauptwerke Aus dieser zweiten Schaffensperiode Schleichs stammt das Bild "Das Isarbett bei München mit Aussicht auf die bayerischen Alpen". Der Unterhachinger Kunsthistoriker Dr. Helmut Kronthaler schreibt dazu: „Die obere Hälfte des Gemäldes zeigt ein stimmungsvoll komponiertes Spiel der Wolken am Himmel; die Landschaft darunter erlaubt einen weiten Ausblick auf den Horizont, gerahmt durch die Baumgruppen links und rechts, die in ihrer Mitte eine helle, sonnenbeschienene Passage freigeben. Am unteren Bildrand rücken Felsen gleichsam in Nahsicht an den Betrachter heran und definieren so auch seinen Standpunkt. Das Gemälde weist die für die Arbeiten Schleichs typische Gesamtwirkung aus Atmosphäre, Lichtführung und zum Teil penibel in den Details ausgearbeiteter Darstellung von Vegetation auf.“ Zu dieser Zeit ist Eduard Schleich bereits anerkannt. Er wird im Jahr 1856 Professor der Akademie der Bildenden Künste in München, die er 29 Jahre vorher mit wenig hoffnungsvollen Perspektiven verlassen musste. Der Künstler organisiert 1869 die Erste Internationale Kunstausstellung in München, ein Ereignis vom Rang einer Biennale. Zahlreiche Auszeichnungen schmücken seine Brust. Als im Winter 1873/74 in München die Cholera wütet, stirbt Eduard Schleich an der Krankheit. Viel zu früh musste ein Künstler von dieser Welt gehen, dem es gelungen war, der Landschaftsmalerei neue Wege zu weisen, die andere nach ihm erfolgreich begangen haben.
|