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Der Umbau der Kirche Seyboldsdorf

Der Umbau der Pfarrkirche Seyboldsdorf in den Jahren 1903 bis 1915.

 
 
 

Eine Erweiterung der Pfarrkirche Seyboldsdorf erschien zu Beginn des 20. Jahrhunderts als ein dringendes Bedürfnis. Vier Altäre waren in der kleinen Kirche, die Kanzel stand an der linken Wand im Kirchenschiff. Die gräfliche Herrschaft ging durch die ehemalige Sakristei zu ihren Plätzen – den beiden Chorstühlen im Presbyterium.

 

Beim Betrachten des originellen Fotos des Jahres 1903 kann nur gefolgert werden: Sicherheitsvorschriften am Bau waren noch nicht bekannt. In luftiger Höhe werden hier Abbruchhämmer geschwungen, ein schmales Brett dient als Übergang und verbindet das Kirchenlanghaus mit dem Abbruchwerk. Bemerkenswert ist, dass die meisten Bauarbeiter weiße Schmutzschürzen tragen. Im Vordergrund, an der Friedhofmauer präsentieren sich dem Fotografen: Baumeister, Vorarbeiter oder Polier, und die Bauherren als Patrone der Kirche, die Grafen August und Ludwig von Seyboldsdorf, Pfarrer Franz Xaver Nagler, Bürgermeister Joseph Zehentbauer (1898-1912). Sicherlich befindet sich unter den dargestellten Herren auch der Landtagsabgeordnete (1893-1911), der Bauer Lorenz Neudecker aus Thalham. Am 15. Januar 1903 wurden die Arbeiten vergeben: Abbruch-, Erd- und Maurerarbeiten gingen an den Maurermeister Xaver Eder aus Geisenhausen; Steinhauer- und Pflasterarbeiten an Anton Wagner, Maurermeister in Vilsbiburg; Zimmermannsarbeiten an Anton Hell aus Vilsbiburg; die Dachdeckerarbeiten an Pöhlmann, Schieferdeckermeister aus Frontenhausen. Die Bauleitung hatte der Bezirksbautechnikers Stephan aus Vilsbiburg.[1] Bevor die Abbrucharbeiten begannen, kaufte die Pfarrei den nordöstlich der Kirche gelegene Bäckerhaus (früher Zehentstadel) um 4.000 Mark, brach es ab und gewann dadurch den freien Platz für die Erweiterung der Kirche und des Friedhofes.

 

Am Osterdienstag den 14. April 1903 wurde das letzte Amt von Pfarrer Nagler gehalten. Am selben Tag noch wurde mit dem Abbruch von Chor, Presbyterium und der alten Sakristei begonnen. Alle Grab-Steinplatten mussten vom Boden und den Wänden genommen, die vier Altäre und die Kanzel abgebaut werden. Als Erstes wurde der östliche Teil ab dem Triumphbogen abgerissen, dann das Gewölbe des Hauptschiffes völlig niedergelegt und der Neubau mit den sehr schwierigen Auswechslungen ausgeführt. Ende April begann die Neueinwölbung des Hauptschiffes, Verlängerung des Langhauses und der Neubau des vergrößerten Presbyteriums. Letztendlich wurde die Kirche um ein Joch, etwa 4,50 Meter im Langhaus verlängert, das Presbyterium in etwa den alten Maßen, etwas breiter wieder aufgebaut, die nördlich angebaute Liebfrauenkappelle - einst ein selbständiger Anbau - ebenfalls verlängert und von hier zum Langhaus die nördliche Wand geöffnet, mit durch gedrungene, rechteckige Pfeiler und spitzen neugotischen Scheidbögen verbunden. Während der Bauzeit fanden die Gottesdienste anfangs in Giersdorf statt, dann wurde im Seyboldsdorfer Seelenhaus unter der Lourdesgrotte ein Notaltar errichtet. Am Nikolaustag den 6. Dezember 1903 konnte nach relativ kurzer Bauzeit Pfarrer Nagler zum ersten Mal wieder ein heiliges Amt halten.[2] Pfarrer Franz Xaver Nagler (Pfarrer von 1897 bis 1908) hat in der mit reichlichen Ornamenten verzierten Sakristeieinrichtung sein Signum hinterlassen. Nagler war der Nachfolger des Seyboldsdorfer Lehrersohn, Pfarrer Maximilian Schmid (1891 bis 1897 in Seyboldsdorf).

Die Baukosten lagen bei etwa 28.000 Mark, wovon an Baumeister Eder aus Geisenhausen allein über 18.000 Mark bezahlt wurden. Während der Erweiterungsarbeiten stürzte ein Schreinergehilfe mit einem losen Balken vom mittleren Presbyteriumsfenster herab, wobei er glücklicherweise genau zwischen zwei Stenhaufen ohne Verletzung den Erdboden erreichte.[3] Die Grabdenkmäler wurden wieder harmonisch im Gesamtbild eingefügt. Eine nördliche Sakristei wurde neu an das Presbyterium angebaut, darüber ein Oratorium, von wo aus die örtliche Grafenfamilie der Seyboltstorffer die Messe mitverfolgen konnte. Die neugotischen Chorfenster von der Hofglasmalkunstanstalt Franz Xaver Zettler aus München aus dem Jahr 1884 wurden wieder eingesetzt. Der örtliche Schreinermeister, Bürgermeister Josef Zehentbauer machte manches kunstvolle Stück für die kirchliche Ausstattung.

 

In den darauf folgenden Jahren wurde der Hochaltar restauriert, da eine größere Renovierung und Restaurierung erst im Jahr 1910 unter Pfarrer Joseph Aschenauer erfolgte. Anfang Mai 1910 wurde die Aufstellung der Seitenaltäre und der Kanzel vorgenommen. Die Renovierung wurde von der „rühmlich bekannten Kunstanstalt des Architekten Joseph Elsner in München“ ausgeführt, so schreibt der Vilsbiburger Anzeiger am 7. Mai 1910. „Die Ausmalung und innere Ausstattung der Kirche, ein herrliches, reizendes idyllisches Werk, das sich in allen seinen Teilen zu einem harmonischen Ganzen vereinigt und in architektonischer und ästhetischer Hinsicht eine erhebenden Eindruck macht“. Der Architekt- und Dekorationsmaler Joseph Elsner jun. von München machte den Umbau an der Kirche in Lichtenhaag, die florale ornamentale Secco-Malereien 1906 in der Kirche Johannesbrunn, wollte 1907 die Pfarrkirche von Vilsbiburg einem gewaltigen Um- und Neubau unterziehen, machte den Kirchenanbau 1908 in Treidlkofen und errichtete die neue Kirche von Dietelskirchen in den Jahren 1913/14.

Im August 1911 kam von Ignatz Weise aus Plattling ein neues Orgelwerk, in das dreiteilig klassizistische Gehäuse. Pfarrer Aschenauer war von 1909 bis zum Juli 1932 Pfarrer von Seyboldsdorf und Schuldekan, dann kam er als Kommorant nach Binabiburg auf das Benefizium Sankt Dorothea. Er starb am 18. Juli 1947 im 85. Lebensjahr und ist in Binabiburg begraben. Nach den Umbauten und den Renovierungen wurde am Samstag den 6. Juli 1912 die Seyboldsdorfer Kirche durch den Regensburger Bischof Dr. Antonius von Henle unter Assistenz des benachbarten Welt- und Ordensklerus wieder neu geweiht. Wegen dem Anbau des Presbyteriums war eine Neukonsekration notwendig. Der nördliche Seiteneingang mit dem Spitzbogen-Portal entstand im Jahr 1915.

Die Innenbemalung vom Jahr 1910 wurde 1956 weiß übertüncht. Bei der Renovierung 2003 wurde die farbenprächtige florale, ornamentale, neugotische Malerei des Joseph Elsner wieder entdeckt, so auch die musizierenden Engel an der nördlichen Langhausmauer. Die heutige Ausmalung erfolgte 2003 durch den Kirchenmaler Rudolf Eis aus Lappersdorf/Regensburg.

Nur mehr ein kleiner senkrechter Mauerfalz an der äußeren Langhaus-Südseite erinnert heute noch an die Umbauarbeiten des Jahres 1903. Während der Arbeiten war es sicherlich von Vorteil, dass am 5. Juni 1903 eine „Telegrafenanstalt“ mit Telefonbetrieb und Unfallmeldestelle beim Wirt in Seyboldsdorf eingerichtet wurde.

 

Peter Käser



[1] Vilsbiburger Anzeiger vom 20. Januar 1903.

[2] Vilsbiburger Anzeiger vom 10. Dezember 1903.

[3] Niederbayerische Heimatblätter, Nr. 30 – 1. Jahrgang, November 1929, 20. Fortsetzung, Geschichtlichen Forschungsergebnisse über Seyboldsdorf, von Karl Lindorfer.

 

 
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