„Mahlzeit! in Vilsbiburg – Eine Zeitreise“
Täglich morgens eine Suppe (verschiedene), Knödel von weißem Brod u. Roggenmehl, abends Fleisch, für 5 Personen 1 Pfund; Nachtessen: Abwechselnd Nudeln v. Roggenmehl oder Schmarren. Und von Michaeli bis Georgi darf man auch Rohrnudel kochen.?
Was anmutet wie eine sehr spezielle, heute unübliche auf Brot- und Mehlspeisen orientierte Diät, ist tatsächlich ein Ausschnitt aus dem Essensplan der Dienstleute auf dem Pfarrhof Holzhausen. Akribisch über viele Seiten eines kleinen Heftleins notierte Pfarrer Ott im Jahr 1869 hier die Speisenfolge seiner Mägde und Knechte für den Alltag, in der Erntezeit und für jeden wichtigen kirchlichen Feiertag im Jahresverlauf. Mehreres wird aus dem Heft deutlich: An Essen mangelte es hier weder den Herren noch den Dienern. Es gab deftiges Essen und große Portionen (vor allem während der Heu- und Getreideernte), an Feiertagen blieb oft noch etwas übrig für die Familien daheim. Fleisch wurde auf diesem Hof jedoch seltener als üblich verspeist, denn es wurden die strengen Fastengebote der Kirche viel disziplinierter gelebt als in anderen bäuerlichen Haushalten.
Es ist überdies das typische Bild des ländlichen Lebens, welches sich seit der ersten Besiedlung des Vilstals vor mehr als siebentausend Jahren abzeichnete. Die nahrhaften Lößböden ließen sich gut mit Getreide und Früchten bebauen, Wasser gab es reichlich. Doch es kamen auch Zeiten der Not, zumeist ausgelöst durch Katastrophen wie einem plötzlich schlechteren Klima, Seuchen, Bränden oder vor allem Kriegshandlungen vor Ort. Die Armen der Gesellschaft hatten immer wenig zu essen und zum Leben. Hart verdientes Brot war es jedoch immer und für fast alle Menschen ? unabhängig von äußeren Einflüssen. Das über die Jahrtausende in Vilsbiburg bäuerlich geprägte Leben erwirtschaftete nur wenig Überschuss, der spätestens im frühen Mittelalter zunächst in Form von Naturalabgaben an die Herzöge oder die Kirche abgegeben werden musste, ab dem 13. Jahrhundert teilweise auch als finanzielle Abgabe, als Zins oder Zehent. Ein überaus reiches und durch europäische Küchen inspiriertes kulinarisches Leben entwickelte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Wirtschaftswunderjahre brachten auch hier einen gesellschaftsübergreifenden Wohlstand, der sich in der Kochkultur widerspiegelte.
Vom überwiegend harten aber meist guten Leben erzählt die neue Ausstellung im Vilsbiburger Heimatmuseum und vollzieht die Entwicklung der Ernährung in großen Sprüngen, beginnend im Neolithikum, über das Mittelalter, die frühe Neuzeit, bis in das 19. und 20. Jahrhundert. Neben Erkenntnissen aus lokalen archäologischen Grabungen stehen Objekte und Zeugnisse aus Krisenzeiten sowie interessante Befunde aus den Archiven. Speisepläne zeigen das geplante Essen in verschiedenen städtischen Institutionen, Inventarien aus dem 18. Jahrhundert illustrieren den bescheidenen Hausstand einfacher Leute. Dem gegenüber demonstriert eine spezielle Auswahl an Kröninger Geschirr, wie spezialisiert und auf die Bedürfnisse der Köche und Köchinnen die Produktion im Kröning schon immer war. Die Bedeutung der Vorratshaltung und deren Entwicklung wird dargestellt. Mit der Präsentation von Küchenmöbeln der Firma Bulthaup vor und nach der Wandlung der Küche vom Arbeits- zum Wohlfühlort wird die Kochkultur der Gegenwart und Zukunft dokumentiert.
Durch die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie muss die Ausstellungseröffnung am Samstag, den 24. Oktober 2020 leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit in kleinstem Rahmen stattfinden. Für alle Gäste des Museums ist sie ab Sonntag, den 25. Oktober 2020 zu den üblichen Öffnungszeiten zu besichtigen. Für kleine Gruppen können auch bereits wieder Sonderführungen gebucht werden. Dies ist auf unterschiedlichen Wegen möglich: unter www.museum-vilsbiburg.de oder bei Museumsleiterin Annika Janßen-Keilholz unter der E-Mail janssen@vilsbiburg.de bzw. Tel.-Nr. 08741/305-170.