Der Turm steht in Flammen

Vor genau 200 Jahren stand die Kuppel der Stadtpfarrkirche nach einem Blitzeinschlag in Flammen. Die Frage ist, wie würde man heute reagieren, wenn auf einmal aus der Kuppel Flammen schlagen würden. Der Brandherd wäre in etwa 70 Metern Höhe. Die Abmessungen der Kuppel welche ganz aus Holz gefertigt und mit Kupferblech ummantelt ist, sind 14 Metern in der Breite und 18 Meter in der Höhe. Herab fallende brennende Teile wären sicherlich eine große Gefahr für die umliegenden Häuser, welche je nach Windrichtung wiederum zu brennen anfangen könnten. Heute würde man von einem Inferno sprechen, was mit einer schrecklichen und gefährlichen Situation einzuschätzen wäre, nachdem vielleicht auch das Dach der Kirche angefangen hat zu brennen.

Die Kirchenrechnungen im Archiv der Pfarrkirche beginnen erst nach dem Dreißigjährigen Krieg im Jahr 1657. Hier sind auch Aufzeichnungen von der großen Vilsbiburger Feuersbrunst des Jahres 1656. Vilsbiburger Bürger haben damals vom Kirchenvermögen Geld aufgenommen „wegen erlittenen Prunstschaden“.

Die Bauausführung vom gotischen Spitzhelm zur heutigen Zwiebelkuppel der Pfarrkirche ist in den Kirchenrechnungen nicht zu finden, er dürfte aber in die Zeit um 1625/30 fallen. 1671 hat ein starker Wind das Kirchendach aufgerissen. Der Turm wurde 1673 neu verputzt und 1677 werden die Holzschindel der Kuppel ab dem gemauerten Turm abgetragen. Die Kuppel wird mit 24 000 Holzschindel neu eingedeckt, welche zuvor mit roter Farbe gestrichen wurden, letztendlich wird ein Blech mit der Jahreszahl 1677 auf die Kuppel genagelt, der Knopf und das Kreuz werden vergoldet. 1681/82 wird von einer großen Sanierung des Turmes mittels Holzgerüst berichtet. Der Blitz hat 1685 in den Turm eingeschlagen, die Kuppel wurde ausgebessert und das Kreuz wieder aufgesetzt. Aber schon im August 1689 hat der Blitz wiederum in den Turm geschlagen, bis zur Orgel herab, wobei ein Teil der Orgel „völlig zerschlagen“ wurde. Gleiches geschieht auch im Juni 1693, hierbei mussten sogar zinnerne Pfeifen der Orgel neu gegossen werden. 1701 ist der obere Teil der Kuppel völlig morsch, 5000 Holzschindel werden ausgewechselt. Am 10. Mai 1742 hat „ein Thonnerwetter die halbe Kirchthurmkuppel herabgeschlagen“, die Helmstandenhalterung war herabgesprengt und die seitliche Mauer ruiniert, auch im Kirchendach waren Löcher. Dies wiederholte sich auch fünf Jahre später. Eine umfangreiche Reparatur der Kuppel war 1791, das Holz-Kuppeldach wurde neu eingedeckt.

Von einem Brand der Kuppel durch Blitzeinschlag war in den Kirchenrechnungen aber nichts niedergeschrieben, bis zum 13. April des Jahres 1807.

In den Niederbayerischen Heimatblättern[1] wird über den Blitzeinschlag vor 200 Jahren berichtet: „Ein Blitzstrahl am 13. April 1807 nachmittags zwischen fünf und sechs Uhr, setzte die Kuppel des Vilsbiburger Pfarrkirchenturmes in Brand, ohne dass die Bevölkerung das Einschlagen des Blitzes bemerkt hatte. Erst als nach einer halben Stunde das Feuer aus der Kuppelspitze herausschlug und brennende Schindel auf das Kirchendach und die benachbarten Häuser fielen, machte man gleich einen Feuerlärm. Nach einer weiteren halben Stunde war die Gefahr beseitigt. Die Helmstange und die oberen Teile der Kuppel waren zu einem Drittel verbrannt. Um mit Löschgeräten zum Feuer gelangen zu können, musste man den unteren Teil der Kuppel durchbrechen. Der ganze Kirchturm und Dachung sind mit 2000 Gulden versichert. Die tatsächlichen Schäden wurden auf 422 Gulden geschätzt.“

Im Staatsarchiv Landshut befindet sich unter der Signatur: Landgericht ältere Ordnung, Biburg, Nummer 127, ein Schriftverkehr über den Blitzeinschlag am Vilsbiburger Kirchturm im Jahr 1807. Zum Turmbrand berichtete der damalige Landrichter Freiherr von Pechmann: „Der Blitz fuhr den ganzen Turm herunter und verlor sich unwissend irgendwo, so heißt es in dem Schätzungsprotokoll. Zimmererleute zeigten sich als die Mutigsten und durchbrachen unterhalb der zündelnden Flammen die Turmkuppel. Die Schätzung nahmen der Vilsbiburger Zimmermeister Michael Pachmaier, Georg Strohhofer Zimmermeister von Langquart, und der Maurermeister Lorenz Maier vor. Notwendig war eine neue Helmstange aus Eichenholz. Sechs Schuh hoch (ein Schuh misst ca. 30 cm) musste die Kuppel mit neuen, 4.000 Stück Scharschindeln (= Holzschindel) gedeckt werden, das Tausend zu 6 Gulden. Diese Schindeln wurden mit Leinöl getränkt und dann rot gestrichen. Das Teuerste bei der Reparatur war das Holzgerüst mit 140 Gulden. Da man beim Löschen des Brandes die ledernen Wasserkübel auf das Kirchdach herunterwarf, wurde auch dieses beschädigt. Die Brand-Assekuranz-Kommission wollte an der Versicherungssumme Abzüge machen, aber der Landrichter erbat wenigstens den Ersatz für den dritten Teil der Kuppel, welche insgesamt 60 Schuh hoch (ca. 18 Meter) und ganz von Holz erbaut war. 166 Gulden wurden schließlich gezahlt.“

Nun waren natürlich die wagemutigen Zimmererleute gefragt, welche die Kuppel wieder aufbauen und eindecken mussten. Um eine Vorstellung vom verwendeten Material zu bekommen kann der Blitzeinschlag von 1742 herangezogen werden, bei welchem aber kein Gerüst gebraucht wurde. Benötigt wurden damals 200 Gebinde Schar- oder Holzschindel, 12 000 Nägel, 60 Pfund rote Farbe, 50 Pfund Leinöl, 2 Pfund „Silber Gleth“, 2 Pfund rote Mennige und 2 Pfund Bleiweiß. Der Zimmermeister mit zwei Gesellen arbeitete 40 Tage. Einen Blitzableiter hatte der Turm zu dieser Zeit noch nicht. Dieser wurde erst im Zuge der erstmaligen Eindeckung der Zwiebel mit Kupferblech im Jahr 1821 installiert.
Eindeckung mit Kupferblech
Unter Pfarrer und Dekan Vital Danzer erhält die Kuppel zum ersten Mal eine Kupferblech-Eindeckung. Die Kirchenrechung von 1820/21 gibt dazu einen guten Überblick der gemachten Arbeiten, aber auch einen geschichtlichen Rückblick: „Die Pfarrkirchen Turmkuppel war so baufällig, dass man es für höchst notwendig befunden hat, selbe neu einzudecken. Nachdem aber seit 144 Jahren selbe 3-mal neu gedeckt und 3-mal ausgebessert wurde, so dass alle 50 Jahre eine neue Eindeckung und alle 25 Jahre eine Ausbesserung trifft, so wurde beschlossen, selbige nun mit Kupfer eindecken zu lassen. Eine Ausbesserung des Kuppeldachstuhles wurde vorgenommen, ein neuer Boden und ein Steg kamen in die Kuppel, die Stiege mit Geländer wurde ausgebessert und neue Luftfenster eingesetzt. 1908 Pfund ungeschnittenes Kupfer in 36 Platten wurden bei Georg Buchauer aus Wasserburg eingekauft. Die Blöcke wurden vom Kupferhammermeister Karl Christeiner in Regensburg zu Kupferblech umgearbeitet und in Kisten verpackt. Bei der Umarbeitung verlor das Kupfer 55 Pfund an Gewicht. Joseph Daxenberger, Kupferschmiedemeister aus Neumarkt/Rott, verkauft daher dem Gotteshaus 20 Pfund geschmiedetes Kupfer. Für den Kupfertransport von der Neuöttinger Lände zur dortigen Waage, dann nach Landshut und vier Tage Beaufsichtigung in Regensburg, bekommt Georg Stein, Handelsmann aus Vilsbiburg, 30 Gulden 22 Kreuzer. Georg Graßer erhält am 27. April 1821 für den Transport von 1908 Pfund Kupfer von Landshut nach Regensburg, 1853 Pfund Kupfer retour nach Vilsbiburg, Fuhrlohn mit Waaggeld und Trinkgeld von 35 Gulden 6 Kreuzer. Die Kosten für das Kupfer mit Bearbeitung und Transport beliefen sich auf 2.250 Gulden 49 Kreuzer. Eine Unmenge an Latten, Falzbrettern, Stammholz und Gerüsthölzer mussten geschnitten, gehauen und transportiert werden. Der Schmied Thomas Lammer macht 58 Gerüst- und 2 Abbrechklammern aus 58 Pfund Eisen, weiters Ringe, Hakensteften und Zugbandl. Der Seiler Joseph Hämmerl fertigt 150 Stück Seile und die Kupferschmiedin Anna Stänglin fertigt 7000 Blechnägel, 375 ganze Bodennägel und 250 halbe Bodennägel. Ein Holzgerüst wurde aufgestellt, die Kuppel abgedeckt und neu eingetäfelt. Ein Zimmermeister und 16 Jndividuen (= Arbeiter/Helfer) arbeiten in schwindelnder Höhe. Joseph Daxenberger, Kupferschmied aus Neumarkt/Rott, schlägt die Kuppel mit insgesamt 2474 Pfund Kupferblech ein. Vom 26. April bis 5. Mai 1821 wurden von fünf Zimmerern die Gerüsthölzer gefertigt; vom 7. bis 12. Mai dann der Turm mit acht Mann eingerüstet. Die eigentlichen Arbeiten an der Kuppel mit abdecken, eintafeln und abrüsten dauerten vom 14. Mai bis zum 14. Juli 1821. Die Kuppel wurde mit 16 Gegenhölzern befestigt. Die Ausgaben für den Kupferschmied, Gerüst- und Eindeckholz, 13 Zimmererleute und 3 Handlanger waren 2.755 Gulden 58 Kreuzer. Angerechnet wurde das vorhandene verkaufte Baumaterial 80 Pfund Kupferabschnitt. Von den 24 000 Holzschindel die einmal auf dem Turm waren, konnten nur noch 2150 Stück verkauft werden. Der Maurer musste einen Pfeiler ausbessern und das Gesims des Turmes weißeln. Ein Blitzableiter aus Messingdraht wurde installiert. Für die Zahlung der neuen Dacheindeckung wurde das Geld von verschiedenen Kirchen ausgeliehen: Wippstetten 50 Gulden, Loiching 50 Gulden, Weigendorf 100 Gulden, Münster 100 Gulden, Niklashag 100 Gulden, Loizenkirchen 100 Gulden, die dortige Aller Seelen-Bruderschaft 100 Gulden, Erlach 400 Gulden. Zur Deckung des weiteren Defizits kamen von der Vilsbiburger Corpus-Christi-Bruderschaft 90 Gulden, Filialkirche Maria Hilf 629 Gulden, vom Heilig Geist Spital 567 Gulden, vom Leprosenhaus 345 Gulden.

Schon 1842 war die Überlegung, das beschädigte Kuppeldach mit Weißblech oder Kupfer neu einzudecken. Im Zuge eines Umbaues im Turm und der Beschaffung einer neuen Turmuhr, wurde diese im Februar 1878 nicht mehr im unteren Stockwerk eingebaut, sondern zwischen dem oberen und unteren Glockenstuhl, dort wo heute die Zifferblätter sind. Auch wurde ein drittes äußeres Ziffernblatt am Turm angebracht. In den Jahren 1961/62 wurde die Putzschicht der ehemals ganz verputzen Pfarrkirche abgenommen. Seitdem zeigt das spätgotische Bauwerk wieder sein ursprüngliches Gesicht mit dem Blankziegelmauerwerk. Die Kuppel wurde mit Kupferblech teils neu gedeckt – die Kugeleinschüsse wurden verlötet.

Der Turm mit seinen 73 Metern Höhe ist immer extremen Witterungsverhältnissen ausgesetzt, auch Blitzeinschläge sind möglich. Im Sommer 2003 brachte ein Blitzeinschlag die Elektronik der Glockensteuerung zum Erliegen.

Peter Käser