Die Ausgrabungen an der Lerchenstraße

Die Ausgrabungen in der Lerchenstraße waren hier erst am Anfang. Das Haus gehört der Familie Peter Forster, südlich der Grabungsfläche wird heute ein Neubau errichtet. BLfD, Foto: O. Braasch, Archiv-Nr. 7540/012, SW 4359-22, vom 15. 5. 1987. Freigegeben: GS 300/8707-81.
Wenn ein Vilsbiburger glaubt, seine Stadt bestehe gerade erst einmal seit circa einem Jahrtausend, so irrt er. Schon in der Jungsteinzeit, die immerhin etwa 7000 Jahre alt ist, gab es in der Lerchenstraße eine Siedlung, von der in den Jahren 1979 bis 1987 immer wieder Teilflächen ausgegraben wurden.
Auf dem Foto erkennt man die Ausgrabungen mit den ersten Flächen in der Lerchenstraße und den Arbeitern. Die dunklen Strukturen weisen auf weitere Befunde hin, die untersucht werden mußten. Durch Funde von Keramik und Feuersteinen konnten die Gruben datiert werden.

Jäger und Sammler wurden zu Bauern

Die ältesten Spuren stammen aus der späteren Linearbandkeramik um ca. 5200 v. Chr. In dieser Zeit entwickelten sich die Jäger und Sammler zu Bauern. Dazu gehörten die Herstellung von Tongefäßen, die nicht nur gebrannt wurden und damit fast wasserdicht waren, sondern auch mit gebogenen Linien und dazu passenden Einstichen verziert waren. Die feine Keramik war sehr dünnwandig und sehr hart gebrannt. Zusätzlich haben die Menschen in dieser Zeit schon sehr diffizile Werkzeuge angefertigt, z.B. sog. „Schuhleistenkeile“, Dechseln, die mit ihrer speziellen Form zur Holzbearbeitung ideal waren. Auch Ackerbau und Viehwirtschaft wurde betrieben, d.h. Schafe und Rinder wurden gehalten, aber noch nicht gezüchtet.

Immer wieder neue Kulturgruppen

Nach Aufgabe der Siedlung kamen etwa 400 Jahre später die Leute der Stichbandkeramik, die als Neuerung statt der Linienverzierung (daher der Name Linearbandkeramik) auf den Gefäßen sehr kleine Einstiche vorzogen, oft noch in der alten Formgebung der Linearbandkeramik.

Gleich darauf wohnten hier Angehörige der Gruppe Oberlauterbach, die auf der Keramik längliche Einstichen statt der kleinen Punkte vorzogen. Auch diese Siedlung wurde aus unbekannten Gründen irgendwann aufgegeben. Da es sich aber um einen sehr günstigen Platz für ein Dorf handelte – Wasser befand sich in der Nähe und der Boden war geeignet zum Beackern – kamen wiederum Menschen, diesmal soche, die der Münchshöfener Kultur zuzuordnen sind (ca. 4200 v. Chr.). Deren Keramik zeigte mit sehr hohen und zugleich hohlen Fußgefäßen ganz andere Formen. Deren Verzierungen ergaben ein vollständig das Gefäß bedeckendes Muster.

Die Vertreter der Altheimer Gruppe bildeten hier eine letzte Siedlung um 3600 v. Chr., von der allerdings nur noch Reste in zwei Gruben bestanden. Die Altheimer bevorzugten grobe und vergleichsweise unschöne, wenig verzierte Keramik.

Viele Kulturnamen aus Niederbayern

Vermutlich kennen viele Leser die Orte, nach denen diese Kulturgruppen benannt wurden. Der Name wird meist nach dem Fundplatz vergeben, wo diese Gruppen als erstes auftauchen. Da hier in Niederbayern die Jungsteinzeit sehr häufig vertreten ist, liegt es nahe, daß nach niederbayerischen Orten diese Zeitspannen benannt werden (Oberlauterbach, Altheim, Münchshöfen, Wallerfing usw.). Selbst in der Bronzezeit finden sich solche Beispiele mit der Straubinger Kultur oder der Stufe Jellenkofen.

Es wurden insgesamt etwa elf Häuser aus den unterschiedlichen Siedlungsphasen entdeckt, jedoch fand sich von keinem der vollständige Hausgrundriss. Vermutlich wurde zur Zeit der Stichbandkeramik um die Häuser ein unten spitz zulaufender Graben mit Palisaden gebaut, der zwar nur auf einer Länge von fünf Metern erhalten war, aber bestimmt der Sicherheit des Dorfes diente.

Durch den Fund verschiedener Feuersteine, die aus dem Feuersteinbergwerk bei Arnhofen bei Abensberg stammen, ist ein Handel in Richtung Norden gesichert. Allerdings ist unklar, was die alten Vilsbiburger anzubieten hatten. Vielleicht tauschten sie Einkorn und Emmer sowie Linsen und Leinsamen, deren Anbau nachgewiesen werden konnte.

Ein Leben wie vor hundert Jahren

Man darf sich die Menschen dieser Zeit getrost genauso wie einen heutigen Menschen vorstellen, nur mit einem anderen Glauben und anderen Kleidern. Aber im Prinzip hat sich zu dem Leben, das in einer bäuerlichen Gemeinschaft noch vor hundert Jahren geführt wurde, nicht viel geändert. Eine Familie lebte zusammen in einem Haus, daran anschließend befand sich der Stall für das Vieh. Das Haus bestand aus Holz, zwischen den Balken waren Flechtwände aus Ästen, die mit einem Lehm-Stroh-Gemisch beworfen wurden. Es gab in jedem Haus eine Feuerstelle, zusätzlich dazu einen größeren Ofen außerhalb der Häuser für das Brennen von Keramik für das ganze Dorf. Oft waren die Häuser von einem Zaun für das Vieh umgeben. Das Essen bestand neben Fleisch auch aus Emmer und Einkorn sowie Linen und Leinsamen. Natürlich wurden damals wie heute Beeren, Nüsse und Pilze zur Anreicherung der Nahrung gesammelt.

Aus den Ergebnissen einer Ausgrabung können viele Erkenntnisse der jeweiligen Zeit gewonnen werden, so sollten diese Untersuchungen unserer Geschichte einen höheren Stellenwert erhalten.

Dr.Cornelia Renner