Ein Kriminalfall im Haus Lechner

 

Auch im beschaulichen Vilsbiburg der ?guten alten Zeit? war man nicht sicher

 

?Wir haben sehr gefährliche Leute hier.? Erst vor wenigen Tagen sei bei dem Herrn Mirtelsperger eingebrochen worden und außerdem treibe ein Drechsler mit Namen Schinerl als Münzfälscher sein Unwesen. Diese Schilderung von Franz Xaver (II) Lechner vom März 1854 will so gar nicht in das Bild von dem verträumten Marktflecken im Vilstal in der Zeit des Biedermeier passen. In der Tat wurde auch der Lebzelter und Wachszieher im Unteren Vormarkt von Kriminellen heimgesucht. Und wie man sieht, war dies beileibe kein Einzelfall.

 

Ganz aufgeregt berichtet Anna Lechner, die Tochter von Franz Xaver (II) ihrem in Tölz lebenden Halbbruder von den unangenehmen Geschehnissen am Tag Mariä Verkündigung des Jahres 1854. Gegen halb zwei Uhr in der Nacht kamen die Räuber, rissen ein Fenster samt Rahmen heraus und stiegen in das ?saubere Stüberl? ein. Anna Lechner teilt den Verwandten in Oberbayern genau mit, was die Ganoven alles mitgehen ließen. Die Schilderung des Hausrates, der Münzen und Kleidungsstücke lässt ganz nebenbei einen kleinen Einblick in die Lebens- und Vermögensverhältnisse eines Handwerker-Haushalts vor rund 150 Jahren zu.

 

Ebenso spannend wie diese Schilderung ist auch der verschlungene Weg, den der besagte Brief vom 2. März 1854 zurückgelegt hat. Er kam nämlich aus Norwegen in das Heimatmuseum Vilsbiburg. Nils Erik Hansen, ein Sammler alter Dokumente hatte Anfang dieses Jahres bei Museumsleiter Lambert Grasmann angefragt, ob er Interesse an einem historischen Schreiben aus dem Hause Lechner habe. Und ob er das hatte, steckte man doch gerade mitten in den Vorbereitungen zur Sonderausstellung ?…viel köstlich Wachsgebild? ? Die Lebzelter- und Wachszieherfamilie Lechner in Vilsbiburg. Der Brief aus dem hohen Norden traf gerade noch rechtzeitig ein, um man ihn für den Katalog zur Sonderausstellung auswerten zu können, wo er im vollen Wortlaut abgedruckt ist.

 

Auch sonst bietet die aktuelle Sonderschau im Heimatmuseum eine Menge an Überraschungen. So hat der viel beachtete Vortrag von Hans Hipp bei der Eröffnung eine ganz neuen Sichtweise auf das Votivbrauchtum eröffnet, das nicht nur an Wallfahrtsorten Maria Hilf eine große Bedeutung hatte. Die Wachszieher am Fuß des Mariahilfsberges hatten angesichts des großen Bedarfs derartiger Weihegaben jedenfalls eine auskömmliche Einnahmequelle.

 

So sah das 1862 abgebrochene Wachszieher-Anwesen im Unteren Vormarkt aus, als es im Jahr 1854 von einem Einbruch heimgesucht wurde. Christoph Lechner (I) hat es 1923 als kolorierte Bossierarbeit nachempfunden. (Foto: Archiv Heimatmuseum Vilsbiburg)