Pferde und Kutscher sollen beschlagen sein

An der Straße der Herzöge gab es besonders für Schmiede immer Beschäftigung

Vilsbiburg. Es war kein einfaches Unterfangen damals zu Zeiten der Landshuter Landesherren, wollte man von der Burg Trausnitz in den Familiensitz hoch über Burghausen gelangen. Die Straßen und die Sicherheitslage waren oft schlecht und der Weg zu weit, um mit zwei oder vier Pferdestärken an einem Tag von einer Residenz zur anderen zu gelangen. Also gründeten die Herzöge im 13. Jahrhundert an der Strecke zwischen Landshut und Burghausen befestigte Städte ? zum einen um ihr Territorium abzusichern, aber auch als Zwischenstationen für erschöpfte Zugtiere und ihre Lenker. Neben Vilsbiburg entstanden zu diesem Zweck auch die Städte Neumarkt an der Rott und Neuötting. Denn es wurde viel gefahren auf diesem Straßenabschnitt, sei es, dass der Herzog als Fernpendler nach Hause zur Familie in Burghausen eilte oder seiner Gattin unter der Woche Geschenke oder Nachrichten sandte. Da mussten sowohl die Fuhrleute wie die Gespanne gut beschlagen sein.
In einer mit Ringmauer und Wällen geschützten Stadt brauchte man für das Wohl des durchreisenden Volks eine funktionierende Gastronomie und Handwerker der verschiedensten Berufszweige. Eine besondere Stellung nahmen hier die Hufschmiede ein, nutzten sich doch die Beschläge der Zugtiere auf den Kiesstraßen schnell ab. In Vilsbiburg sind mindestens drei Huf- und Wagenschmiede bekannt: In der Landshuter Straße war dies gleich hinter dem Bahnübergang die Werkstatt von Anton Reichl, in der Oberen Stadt unmittelbar an der Abzweigung zur Seyboldsdorfer Straße jene von Anton Aigner. Am längsten, nämlich bis in die 1980er Jahre herauf, war die Schmiede des Michael Bach in der Unteren Stadt in Betrieb. Bach hatte den Betrieb von seinem Schwiegervater Joseph Kirnberger übernommen, der wiederum war im Jahr 1912 dem Schmiedemeister Joseph Kaltenecker nachgefolgt und im Jahr 1860 ist in diesem Anwesen ein Handwerker namens Josef Grau nachweisbar.
Der Schmied als Orthopäde
Ein Hufschmied muss weit mehr können, als nur einfach vier Eisen festzunageln. Das Beschlagen eines Pferdes ist nämlich ein Eingriff in die Biomechanik des Tieres. Die anspruchsvolle Tätigkeit beginnt bereits mit dem Ausschneiden des Hufes und des Raspeln des Horns. Schon dadurch können Stellungsfehler im Knochengerüst behoben oder zumindest gemildert werden. Weitere Verbesserungen werden durch eine besondere Konstruktion der Eisen erzielt, die der Schmied passgenau für jeden Huf anfertigt. Dazu haben sich im Lauf der Zeit die verschiedensten Formen entwickelt, vom Hufeisen mit oder ohne Zehen- oder Seitenkappen, über Oval- und Keileisen bis hin zu den sonderbaren Pilzeisen. Rillen in den Hufeisen und auch die leicht überstehenden Hufnägel schützen die Pferde vor dem Ausgleiten. Wurde in früheren Jahrhunderten als Material nur Stahl verwendet, gibt es heute bereits Legierungen aus Aluminium und Kupfer oder gar spezielle Kunststoffe.

So wird ein guter Hufschmied seine Arbeit auch mit Respekt vor dem lebenden Geschöpf verrichten und sich der alten Schmiedeweisheit verpflichtet fühlen: ?Erhalt stets so den Huf wie ihn der Schöpfer schuf. Und gibt ihm bei guter Pfleg? ein naturgemäß Beschläg??.

Wo sich heute ein Laden befindet, wurden bis in die 1950er Jahre bei Anton Aigner Pferde beschlagen. Die Fassade des denkmalgeschützten Hauses wird demnächst saniert.
Hochbetrieb in der Schmiede des Michael Bach um 1960. Von links: der Meister, daneben Mathias Fedlmeier, Schmiedegeselle Jakob Goldbrunner und der ?Schwabenbauer? N. Grötzinger aus Mühlen.
Ein Blick in die Schmiede des Anton Reichl (2. von links) mit seinen Gesellen. Auf dem Amboss ein bearbeitetes Hufeisen. Die Aufnahme stammt aus der Zeit um 1930. (Fotos