Mit dem Leukoplast-Bomber ins Grüne

In Vilsbiburg gab es schon früh Autowerkstätten – Die Marke Lloyd war auch dabei

Vilsbiburg. Der große Krieg lag erst fünf Jahre zurück, da entwickelte sich auch das Land der Verlierer ganz langsam zu einer automobilen Gesellschaft. Die Menschen wollten die trostlosen Jahre hinter sich lassen und das aufkeimende Wirtschaftswunder genießen. Nachdem zuvor viele Menschen unfreiwillig zu Kriegsschauplätzen transportiert wurden, standen jetzt Vergnügungsreisen hoch im Kurs. Man fuhr hinaus ins Grüne, an einen See, in die Berge oder entdeckte sogar das sonnige Italien. Doch dazu bedurfte es eines fahrbaren Untersatzes.

Der Unternehmer Carl F. W. Borgward erkannte diesen Trend frühzeitig. Er hatte schon vor dem Krieg mit kleinen Nutzfahrzeugen, beispielsweise mit einem dreirädrigen Blitzkarren, gutes Geld verdient und gründete im Jahr 1949 auf dem Gelände der Goliath-Werke im Bremen eine Maschinenfabrik. Schon ein Jahr später lieferte man unter der traditionsreichen Markenbezeichnung Lloyd den Kleinwagen LP 300 aus. Wegen der damals noch herrschenden Materialknappheit bestand die Karosserie aus Sperrholz und war mit Kunstleder überzogen. Schnell hatte daher das Fahrzeug mit seinem 300 cm2-Zweitaktmotor den Spitznamen ?Leukoplast-Bomber? weg. Mit seinem nur zehn PS starken Triebwerk musste das Auto an steilen Alpenpässe allerdings oftmals kapitulieren. Die vorbei fahrenden Insassen anderer Marken prägten daher schnell den Spruch: ?Steht am Berg und heult: Lloyd?

Doch Borgward entwickelte seine Produktpalette  kontinuierlich weiter. Im Jahr 1953 kam das Auto mit einem verstärkten 400 cm2-Motor auf dem Markt und 1955 überraschte das Unternehmen die Autowelt mit dem Alexander, der schon eine Stahlkarosserie hatte und dessen Viertaktmotor 600 cm2 auf die Straße brachte. Mit diesem Fahrzeug war das Unternehmen sehr erfolgreich und lag nach VW und Opel auf Platz drei der deutschen Zulassungszahlen. Dieser Erfolg führte zu einer großen Zahl weiterer Modellvarianten, die jedoch durch die ständige Anpassung der Produktionsanlagen hohe Kosten verursachten. So musste Borgward im Jahr 1961 Konkurs anmelden.

In Vilsbiburg profitierte die Werkstätte des Ludwig Ostermaier in der damaligen Kirchstraße von dem Boom um die Lloyd-Automobile. Der Betrieb war dort, wo sich heute das Schreibwarengeschäft und die Musikalienhandlung von Karl Köstler befinden. Aber auch die Konkurrenzprodukte von Lloyd konnte man schon lange vor dem Krieg in Vilsbiburg kaufen und reparieren lassen. Im Jahr 1924 wurde das  Autohaus von Michael Ostermaier in der Landshuter Straße gegründet, das nach dem Krieg Vertragshändler von Volkswagen wurde. Bereits seit 1891 gab es die ?Tändlerei? von Ludwig Huber, die schon um die Jahrhundertwende mit Fahrrädern handelte ? auch diese schon aus dem Werk von Adam Opel. Später komplettierten dann noch die Autohäuser Mundigl, Thaler, Schreiner und Dietzinger die starke Stellung Vilsbiburgs als Zentrum des Fahrzeughandels. Lambert Grasmann hat die Geschichte der Vilsbiburger Auto-Reparaturwerkstätten rund um den II. Weltkrieg in der Museumsschrift Nr. 17 ?Handwerk im Museum ? vom Bader bis zum Wagner? in Bild und Text festgehalten.

Der Lloyd LP 600 Alexander, hier vor dem Autohaus des Ludwig Ostermaier, führte den Borgward-Konzern auf Platz drei in der deutschen Zulassungsstatistik. (Foto: Archiv Heimatmuseum Vilsbiburg)