Da das uns vorliegende Textbuch


in altdeutscher Schrift erstellt wurde habe wir es zwecks besserer Lesbarkeit abgetippt.

Dabei haben wir uns bemüht, so weit wie möglich die Rechtschreibung und das Layout beizubehalten.

Text des Liebfrauen festspieles unformatiert (zum Öffnen klicken)

Der Spielansager tritt auf mit einem blumenumwundenen Stabe.
Tu` hiermit euch zu wissen kund,
die ihr versammelt zu dieser Stund`
dass ich zu eurem Nutz und Frommen
bin aus alter Zeit gekommen.
Es war die schreckliche Türkenzeit,
in Not und Verzweiflung die Christenheit,
da um die alte Kaiserstadt Wien
mit gleißendem Glanze der Halbmond schien.
Doch Gottes Gnade hat Sieg beschert,
gesegnet der christlichen Fürsten Schwert.
Im Namen Mariens, in ihrem Schutz
boten den wilden Horden sie Trutz.
Sie führten in Ungarn den heiligen Krieg
und trugen ihr Banner von Sieg zu Sieg.
Da pries man Mariens Namen in Land;
und sehet, Vilsbiburg zurück nicht stand!
Es hat sich in dieser ruhmvollen Zeit
der himmlischen Jungfrau zu eigen geweiht.
Da ist die Wallfahrt gar herrlich erblüht,
gleich wie eine Rose im Sommer erglüht,
und frommer Verein und Heiligtum
erstanden zu ihres Namens Ruhm.
Und was in Treue Vilsbiburg gelobt,
Das hat sich im Sturme der Zeiten erprobt.
Zum Baume erwuchs das zarte Reis;
noch immer erklingt hier Mariens Preis.
So hat sich in Zeiten der bittersten Not,
da, rings von grimmigen Feinden bedroht,
erschüttert das Volk zusammenbrach,
darniederliegen in Schande und Schmach,
zusammengeschlossen in frommer Kreis,
ein Spiel aufzuführen besonderer Weis,
der Mutter Maria fromm geweiht.
Drum reich ich als Bürger aus alter Zeit
Euch meinen Urenkeln heute die Hand;
Ihr bliebt ja den Vätern im Geiste verwandt!
Das Leben der himmlischen Königin
soll jetzt an den Augen vorüberzieh`n,
ihr Erdenleben in Freud und Leid.
Bis zu des Ostertags Herrlichkeit.
Vernehmt mit Erbauung am heutigen Tag,
was unser Spiel euch zu bieten vermag.
Zur Ehre des Höchsten sei es getan!
Ihr Spieler, in Gottes Namen fangt an.
























Einsame, felsige Gegend. Es beginnt zu dunkeln. Gewitter in der Ferne. 
Adam und Eva treten auf, in Felle gehüllt.

Adam:   auf einen Platz unter einen Felsen weisend:
Hier laß und ruhen von des Wanderns langen Müh`n,
Der Weg war weit durch glühend heiße Wüste,
wo nirgends Kühlung sich für Haupt und Lippe bot.
Doch hier, sieh nur! Welch kühler Schatten
sich breitet unter dieses Felsens Dach!
Und dort wie silberhell die frische Quelle,
die aus dem Moose sprudelt und zur Labung lädt!
   	  Beide beugen sich und trinken.

Eva:   die Arme breitend:
O tausend Dank, du gütiger Vater droben,
der uns geführt an diesen Rettungsort! –
In Sonnenglut und Wüstensand zu schmachten,
wo keine Blume und kein Baum das Aug erfreut,
wo keine Quelle unsre durstigen Lippen frischte, 
sich endlos nur die öde, graue Fläche dehnte –
Sie beginnt zu weinen und senkt das Haupt.
oh, es war hart nach all den Paradieseswonnen!
Und sagen müssen: Ach, es ist die eigene Schuld!
Warum doch lauschte ich der Schlange listigen Worten,
die schmeichelnd sich am Stamm des Baumes wand
und durch die grünbelaubten Äste schillernd
mit süßer Lockung mir das Herz betört:
Wir würden Götter sein, erkennend Gut und Bös,
und unser Haupt stolz zu den Sternen heben,
wenn wir gekostet von der Frucht, die lockend winkte.
Ich Törin aß und zog dich in den Abgrund,
dich, den ich liebte mit des Herzens heißer Glut. –
bitter:
Nun sind wir Götter  -  bettelarm, verbannt!


Adam:
Laß diese Klagen, laß das eitle Sehnen!
Es ist vorbei, verloren ist verloren!
Noch hast du mich und meine treue Liebe.

Eva:
Wohl, mein Gemahl!  Doch kann ich nicht vergessen,
was wir verloren und wonnevoll es war.
Wie sank die Nacht so anders dort im Wonnegarten,
wo durch die Palmenfächer, die im Lufthauch rauschten,
die goldenen Sterne groß wie Kinderaugen glühten,
wo goldene Früchte aus dem Grün der Blätter lockten, 
sich farbenbunte Vögel im Gezweige wiegten –
und alles nur ein Traum, der jäh zerrann!
	Wetterleuchten und ferner Donner.

Eva,  erschrocken:
Ist das Jehovas Stimme, dumpf erdröhnend?
Will er im Grimme aus der Wolke niederfahren 
	Und uns zerschmettern, weil wir frevelnd aßen
von jener süßen Frucht, die er verbot?
Laß und in jener Höhle dort verkriechen,
die uns mit schwarzem Schlund entgegengähnt!

Adam:
Bleib, Eva, bleib!
Auch dort würd` uns sein starker Arm erreichen.
Wohl zürnt Jehova; doch nicht zu vernichten,
nur uns zu mahnen, dröhnet seine Stimme.
Und ruft im Donnerschall uns zu: „Tut Buße!“
Und sühnen wollen wir, was wir verschuldet,
ergeben tragen, was der Herr uns schickt,
wenn auch das Feld, das wir im Schweiß bebauen,
mit Disteln nur und Dornen unsere Mühe lohnt!

Eva:
Und wird der Herr uns gnädig sein ob unserer Buße?
Gern will auch ich auf rauen Pfaden wandeln,
mit starkem Herzen tragen Leid und Not,
wenn nur sein Vaterauge wieder gnädig blickt,
die Erde wieder segnet seine Vaterhand.
Dann will ich ruhig auf zum Himmel schauen
im Wolkendunkel wie im lichten Sternenglanz.

  Adam:
	Getrost! Einst muß die Rettungsstunde kommen,
	da sein Erbarmen löst der Erde Fluch.
	Hast du vergessen, was sein Mund verheißen,
da er im Paradiese tröstlich sprach,
das Weib wird, Schlange, dir das Haupt zertreten - ?
Auf dieses Wort soll unsre Hoffnung bauen,
und diese Hoffnung, sie wird nicht zu schanden!



Doch sieh! Es hat die Nacht sich dunkelnd
gelagert übers Felsental 
und droben leuchten, traulich funkelnd,
die Sterne hoch am Himmelssaal.
Eh` wir dem Schlummer uns ergeben,
laß uns zum Vater betend schaun,
die müden Hände uns erheben
zu ihm in kindlichem Vertraun!

Eva:
Es hat den dunklen Schleicher
gebreitet aus die Nacht
und wie in hehrer Feier
erglänzt der Sterne Pracht.
Sie künden uns, dass droben
ein Vater treulich wacht,
und schweben, ihn zu loben,
so friedlich durch die Nacht.

Beide legen sich auf die Erde und schlummern ein. Satan, der schon während 
des Duetts die Beiden umschlichen hat, tritt hervor und betrachtet die Schlafenden.

Satan:
Da schlafen sie, als wäre nichts gescheh`n,
wie Kinder fast im Schlummer anzuseh`n!
Schlaft nur und träumt vom Paradies,
draus der da droben euch so schnöd` verwies!
Den flehen sie um Gnade und Verzeihung an
in ihrem blöden Torenwahn,
und seine Antwort war ein Donnerschlag.
Der – und Erbarmen! Wer das glauben mag!

Er lässt sich neben den Schlafenden nieder.

Ha, Satan, das hast fein du erdacht,
hast beide trefflich zu Fall gebracht!
Zu schön war der Apfel, der Schlange Wort, 
es klang so verlockend im Herzen fort:
„Ihr werdet wie Götter sein fortan.“ -
	verächtlich:
Nun seid ihr Götter, man sieht es euch an!
	Ein greller Blitz, Satan springt auf, die Faust ballend:
Mich schreckst mit deinen Waffen du nicht!
Ich trotze dir keck ins Angesicht!
Süß ist die Rache! Das ist der Lohn,
daß du mich gestürzt vom Himmelsthron!
Das Menschenreich, das du gestiftet,
ich hab` es im Keime schon vergiftet!
Ich störe dein Spiel, was immer es treibt,
wir wollen sehen, wer Sieger bleibt!
       Der Engel des Lichtes, Gabriel, erscheint und weißt Satan zurück.

Gabriel:
Zurück in den Pfuhl, in die Höllennacht,
wohin dich gestoßen des höchsten Macht!


Du willst ihm trotzen in blinder Wut,
dich bäumen wie giftige Natternbrut?
Schau dorthin!
      Die Unbefleckte Empfängnis wird in der Ferne sichtbar. Satan zuckt 
zusammen und weicht zurück.
Was wankst du zurück mit zagendem Schritt?
Sie ist`s die der Schlange das Haupt zertritt!
Satan entflieht bestürut. Engel erscheinen von allen Seiten und Schlingen einen 
Reigen um die Schlafenden.

Engelschor:
Durch die Nacht, die Nacht
Wandelt leise, wandelt sacht!
Wie der Tau am Frühlingsmorgen
fällt auf Blumen, scheu geborgen,
wenn sie kaum im Gras sich regen,
trinken still des Himmels Segen,
wandelt leise, wandelt sacht
durch die blaue Dämmernacht!

Durch die Nacht, durch die Nacht
Wandelt leise, wandelt sacht!
Läßt die Schläfer uns umschweben,
daß der Seele düst`rer Kummer
still sich löse auf im Schlummer.
Jenes Weibes Sündenschuld
Sühnt ein Weib in Gottes Huld
einst in heil`ger Weihnacht
wandelt leise, wandelt sacht!

Die Egel verschwinden, es beginnt zu tagen. Morgenröte. Sonnenaufgang.
Eva, erwachend, zu Adam, den sie aus dem Schlummer weckt:
Erwache, Adam, goldene Morgenlichter
verkünden spielend uns den jungen Tag!
Nicht nur im Paradies – auch hier ist Sonne,
auch hier strahlt und das goldne Gottesauge.
Ich fühle neues Leben mich durchströmen.

         Adam, sich aufrichtend:
Auch meine Pulse schlagen frisch belebt;
Nicht nur vom Schlummer bin ich neu erquickt, -
Noch mehr vom Traumgesichte, das ich schaue.	
 
          Eva, verwundert:
Auch du, Gemahl? Welch wunderbare Fügung?
Ich sah ein Weib, von hellem Glanz umstrahlt,
wie einer Schlange sie das Haupt zertrat.

   Adam, freudig:
	Und lichte Engel schwebten sanft um uns
Auf  Silberschwingen, die wie Mondlicht glänzten. –
So laß uns froh, auf Gottes Gnade bauend,
entgegengeh`n dem Lebens-Arbeitstage!

Ist er auch schwer von Mühsal: Drüber liegt
reich an Verheißung und an Troste so licht,
die Sonne Gottes, die uns Hoffnung strahlt.
Sie gehen Gand in Hand von dannen.






   Zweites Bild:

Mariä Opferung.

Joachim,  Mutter Anna,  Maria,  Der Hohepriester,  Sechs Tempel-
jungfrauen,  darunter Herodias,  Leviten.

(Vorderbühne.)

Joachim und Anne sind mit Maria vor dem Tempel angelangt.
Joachim:
Nun Tochter, lebe wohl!  Wir sind am Ziele.
Bald tut sich dir des Tempels Pforte auf, 
wo mit den Jungfrauen von der Welt geschieden,
dem Herr du dienen sollst in seinem Hause.  –
Längst war es ja dein Wunsch, dein stilles Sehnen,
dich ganz dem Herrn zu weih`n in deiner Jugend.

Maria:
`s war meiner Kindheit süßer, holder Traum,
der mich umschwebte wie mit Taubenschwingen.
Wie schlug mein Herz, wenn ich den Psalmvers las:
„Ich freute mich, da ich das Wort vernahm:
Wir wollen ziehen hin zum Haus des Herrn!“
Und immer klang dies Wort mir noch im Herzen
und lockte mich wie ferner Saitenklang.
Jetzt ist erfüllt, was ich so heiß begehrte;
Die Seele jubelt: „Herr, nun bin ich dein!“
Zum Abschiedsgruße reich ich euch die Hand
und sag euch Dank aus tiefstem Herzensgrunde
für all die Liebe, die ihr mir geschenkt,
dass ihr so treu mit frommer Elternsorge
ob meiner Kindheit Paradies gewacht. 

Anna:
Leb` wohl, o Tochter! Zwar das Herz will bluten,
dass du nun schwinden sollst aus unsren Augen,
die unsres Alters lichter Sonnenschein du warst.
Doch sei dies Opfer Gott dem Herrn gebracht!
Er hat dich uns geschenkt in letzter Stunde,
in langer Jahre Beten heiß erfleht.
So nehm` er wieder dich, du bist sein eigen!




Maria:
O, trauert nicht,  lieb Vater, liebe Mutter.
Sind wir durch weite Ferne auch getrennt,

wir bleiben stets vor Gott im Geist vereint.
Gott segne euch, sei eures Alters Stütze!
Zieht heim in Frieden, hoffet auf den Herrn,
der keine Hoffnung lässt zu schanden werden!
      Maria umarmt Joachim und Anna, die sich langsam entfernen. Man hört aus 
                dem Innern Gesang, dem Maria still lauscht.

Chor:
			     Wie freute ich mich, da mir ward kundgetan:
		                 Wir werden dem Hause des Herrn uns nah`n!
		                 Wie hold ist zu wohnen in deinem Gezelt!
      Es sehnt sich die Seele, die Herr, du erwählt.
        (Innenbühne)
Vorhalle des Tempels. Der Hohepriester, vor ihm sechs Jungfrauen mit
Blumenkränzen auf dem Haupte, darunter Herodias. Maria reiht sich den
			anderen Mädchen an.
Hohepriester:
Komm, Tochter! Deiner haben wir geharrt.
Nun ist sie voll, die Siebenzahl, die heilige.
Mit diesem Kranze, den aufs Haupt ich lege,
bist du geweiht Jehovas heil`gem Dienst,
als Jungfrau hier im Haus des Herrn zu walten,
in stiller Einsamkeit, in Gottes Frieden. 
				Er setzt ihr den Kranz aufs Haupt.
Zu  allen:
			Tragt diesen Kranz in Reinheit unversehrt,
blüht selber wie die Blume still verborgen,
die sich dem Strahl der Sonne nur erschließt!
die Hände zum Segen ausbreitend:
E segne euch der Herr des Himmels und der Erde,
Gott Abrahams, Gott Jacobs und Gott Isaaks!
Und seine Gnade ströme auf euch nieder
wie Morgentau auf Hermons grüne Au!
    Nun tretet in des Tempels heil`ge Hallen
und hört, was eures Amtes ist, bei Tag und Nacht,
wie ihr die Wolle spinnen sollt und Tuche wirken,
im Hause Gottes zu Gebrauch bestimmt
beim Opferdienst für Priester und Leviten.
Nicht Mägdearbeit ist`s, nein – Ehrendienst,
wie auch zwei Königskinder unter euch!
Herodias, verwundert zur Nachbarin:
Zwei Königskinder? Welches ist die andre?
Eine Jungfrau:
Die hier, die ganz zuletzt gekommen ist.
                    deutet auf Maria hin.
Herodias, mit einem verächtlichen Blick:
Die eine Königstochter? Glaub`s wer mag!
Hohepriester:
Von nun an soll dies Haus euch Heimat sein,
ihr sollt gleich Schwestern hier in Eintracht leben,
bis nahe jener Tag, da Gottes Fügung
euch eine Manne zugesellen wird,
daß ihr die Hand ihm reicht zum Lebensbunde.
Dem sollt ihr sein wie an des Hausen Wänden
der Weinstock früchteschwer, und eure Kinder 
wie Oelbaumsprossen um des Tisches Rund.
Maria:
Verschmäh` nicht, Hoherpriester, eines Mädchens Wort
und zürne nicht, wenn ich Entgegnung wage!
Als ich mit heißem Flehen Gott bestürmte,
daß er mit seinem Licht mir Klarheit spende,
da war es mir, als hört ich eine Stimme:
„Du bist dem Herrn geweiht und ihm zu eigen!“
Da habe ich durch heiliges Gelübde
Jungfräulichkeit gelobt fürs ganze Leben.
Und was ich da versprach, ich will es halten,
bis mich der Tod von dieser Erde ruft!
Hohepriester, Maria ernst anblickend:
O, Kind wie willst du solches jetzt entscheiden,
was für den Lebensweg dich binden soll?
Noch liegt gleich einem unerschloss`nen Garten
vor die das Leben, dunkel, unbekannt.
Kaum hast du durch die Pforte einen Blick 
getan in seine unermess`nen Weiten
und weißt nicht, wie zu Mute dir wird sein,
wenn länger du einmal darin gewandelt.
Maria:
			Mir kündet es des Herzens klare Stimme,
durch die Gott selber mahnend zu mir spricht.
Und seine Stimme trügt nicht, Hoherpriester,
mag auch geheimnisvoll ihr Wort uns scheinen.
Hohepriester, prophetisch:
O, warte noch, mein Kind! Es kommt die Stunde,
da auch an dich der Ruf ergehen wird!
Zu allen:
Kommt jetzt und folget mit ins Heiligtum.
Zu Maria:
Du Maid aus Davids Stamm, geh du voran
als Führerin der Schar und als ihr Vorbild!
Herodias, sich leidenschaftlich vordrängend:
Mir doch gebührt der Vorrang, Hoherpriester,
Herodes Enkelin, der diesen Tempel
erbaut in seiner Gold- und Marmorpracht.
Hohepriester:
Herodias bedenke, dass in Herrlichkeit
die Krone David trug vor alter Zeit
und daß er Israel zu Glanz erhob,
dass ihm verheißen ward, aus seinem Samen
der Retter wird ersteh`n, des Herrn Gesalbter!
Herodias:
Der wird erst kommen, doch vergiß es nicht,
ich bin vom Hasmonäerstamm, der einstens
das Volk befreit, aus grauser Knechtschaft Joch
es niederzwang und in des Staub es drückte!
Wer schwang das Schwert in jener Schicksalsstunde,
wer rief die Söhne Israel zum Kampfe auf?
Nicht Davids Enkel, nein, die Makkabäerhelden!
Maria:
Laß, Hoherpriester, sie den Vortritt haben!
Gern trete ich zurück und will ihr dienen.

Hohepriester, mit Würde:
Nein, hier im Tempel gilt des höchsten Stimme,
der David sich und sein Geschlecht erwählt!
Zu Herodias:
Entweihe nicht das Haus des Herrn durch Streit!
Herodias, aufs höchste erregt:
Nein, solche Schmach ertrag` ich länger nicht!
Herodes Enkelin ist nicht gewohnt,
die Sklavin einer fremden Magd zu sein!
Sie wirft den Kranz von sich und eilt hinweg, während alle betroffen schweigen.
Hohepriester:
Laßt sie! Ihr Blut ist heiß erregt.
Sie taugt nicht in des Gotteshauses Frieden! –
 	   ernst:
Was wohl der Zukunft Schleier bergen mag? –
komm, folgt Maria, als der Meisterin!
Maria:
Weil du es willst, des höchsten Stellvertreter,
durch den der Wille Gottes zu mir spricht!
          Während sie in das Innere gehen, wird der Anfangchor wiederholt.

Drittes Bild:

Maria Vermählung.
           Sechs Jünglinge. Joseph. Der Hohepriester. Maria. Sechs Tempel-
                  jungfrauen. Leviten.

 (Vorderbühne.)
                         Gabriel, erscheint:
Es rauscht der Zeiten Flügelschlag:
Vor Gott sind die Jahre wie ein Tag,
So hat sich die Fülle der Zeiten genaht,
da nach des ewigen Vaters Rat,
in Knechtsgestalt der göttliche Sohn
hernieder soll steigen vom Himmelsthron,
zu tilgen der sündigen Menschen Schuld,
dass hell erstrahle die göttliche Huld.
Die Tochter Davids, die fromm sich gemüht
Im Tempel, ist nun zur Jungfrau erblüht,
der Knospe gleich, die still in der Nacht
zur Rose sich eröffnet in Purpurpracht.
Sie hat sich erkoren den Schöpfer der Welt,
zu wohnen in ihr als reinem Gezelt.
Schon nahet der Bräutigam, dem sie als Braut
durch himmlische Fügung wird anvertraut,
zu leuchten der Erde als Morgenstern
vor der Heilandssonne.  Hosanna dem Herrn!
      verschwindet.

Chor der Tempeljungfrauen:
    Kommt, die entscheidende stunde naht!
    Wen wohl der Herr sich erkoren hat,
    dass ihm Maria, die reine Braut,
    werde als heiliges Pfand vertraut?

    Alle Stäbe sind aufgestellt,
    bald wird das Urteil vom Herrn gefällt.
    Wessen Stab sich umkleidet mit Grün,
    dem wird Glück und Segen erblühn.
    Dem wird als Braut Maria zuteil,
    ihm winkt göttliches Gnadenheil.
    Siehe in seiner schützenden Hut
    sicher die himmlische Blume ruht!
Chor ab.
Sechs Jünglinge treten auf und reihen sich aneinander.
    1. Jüngling:
Nur sechs sind gekommen, für sieben tat kund
der Hohepriester durch Herolds Mund,
dass jeder mit einem Stabe geschwind
allhier im Heiligtum ein sich find`!
2. Jüngling:
			So ist es fürwahr; ich weiß es genau,
			Maria von Nazareth, Tempeljungfrau,
soll werden einem Manne vermählt;
doch da sie selbst keinen erwählt,
der Hohepriester ins Heiligtum trat,
vom Höchsten selber zu holen sich Rat,
mit heiligen Kleidern angetan.
bedeutungsvoll:
			Da fingen die Glöckchen zu läuten an,
die hingen an seines Gewandes Saum
			und eine Stimme erklang im Raum:
„Laß Jünglinge kommen, sieben an der Zahl,
mit Stäben! Auf jenen falle die Wahl,
deß Stab, in den Boden des Tempels gesteckt,
sich zeigt mit sproßendem Grün bedeckt!“
Nun harren wir, wie die Entscheidung fällt.
Doch, wo ist der Siebte, uns zugesellt?
    1. Jüngling, etwas spöttisch:
Es muß ein hoher Herr wohl sein,
dass er so spät sich findet ein.
Es ist wohl gar ein Fürstensohn,
harrend auf einen Königsthron!
In diesem Augenblicke kommt Joseph, bereits ein älterer Mann, ärmlich, aber 
     sauber gekleidet; die anderen lachen, Joseph bleibt bescheiden stehen.
    2. Jüngling, auf Joseph deutend:
Der will mir scheinen, sieht danach aus,
daß er die Braut sich führe nach Haus!
Es ist ein Wandergesell wohl gar,
der sich gesellt zu unserer Schar,
einen Hausstand sich zu gründen gedenkt,
wenn dazu die Braut ihm der Himmel schenkt!
2.  Jüngling:
Der hat wohl schon öfter versucht sein Glück
und kehrte mit langem Gesichte zurück!
    3. Jüngling:
 	Ach, wie ihr schwatzet, wo nichts ihr versteht!
Das ist ja der Josef von Nazareth,
der hier in der Nähe als Zimmermann
vor einiger Zeit ein Geschäft begann. –
                          	

zu Joseph:
Mein lieber Freund, was kommt ihr so spät,
da alles schon lange bereit hier steht?
Joseph:
Da mir die Kunde wurde zuteil,
legt` ich beiseite Säge und Beil,
ließ dann hier meinen Stab geschwind
bringen zum Tempel von einem Kind,
säuberte mich vom Staube schnell
und bin nun gewärtig, hier zur Stell`,
weil also es Gottes Wille befahl,
nicht aus eigener freier Wahl.
 1. Jüngling, spöttisch:
Da habt ihr den edlen Königssohn,
der führt sich die Braut gewißlich davon,
Er ist ja darnach auch recht angetan,
vom Sägen hängen ihm Späne noch an.
	Lachen.
3. Jüngling:
Ihr täuscht euch, er ist ein Fürstenkind,
aus edlem Geblüte, das hochverdient,
von David stammend; er freit mit Recht
um eine Tochter aus gleichem Geschlecht.
1. Jüngling:
Schweig still! Was nützt es von Adel zu sein,
wenn kein Heller zuhaufe sich findet im Schrein?
Mein Vater ist Kaufmann, ich erbe sein Gut,
das ist doch wohl mehr wert als adelig Blut.
2. Jüngling, sich ereifern:
Und ich bin Besitzer von Wald und Feld,
das schätz` ich höher als euer Geld.
Was gilt`s? Ich führe die Braut nach Haus?
Ihr hab dann das Nachsehn, der Handel ist aus!“
		Ein Levit tritt auf.
Levit, feierlich:
Kommt in den Tempel und seid bereit,
zu hören des Hohenpriesters Entscheid.
	Die Jünglinge treten mit Joseph in Innere.

(Innenbühne.)
Der Hohepriester. Leviten. Tempeljungfrauen, Maria an ihrer 
     	Spitze. Die sieben Jünglinge treten ein und stellen sich auf. Die Stäbe sind 
   verhüllt.
Hohepriester:
Ihr harret auf die Entscheidung gespannt;
sie soll euch nun werden durch mich bekannt!
Es hat Jehova, zu dem ich gefleht
im Tempel versunken in heißes Gebet,
ein Zeichen gegeben durch Wundermacht,
wem als Braut Maria sei zugedacht.
Von sieben Stäben schmückt einen Laub.
Es grünt wie die Palme im Wüstenstaub.
	Zu den Leviten:
Geh hin und nimm die Hülle herab. -,-
Der grünende Stab ist – Josephs Stab!
Allgemeines Erstaunen. Der Levit überreicht zuerst den sechs anderen, dann
Joseph den Stab.
		Hohepriester:
			Nun zieht nach Haus! Nicht ward euch das Glück.
			Nur Joseph bleibe im Tempel zurück!
			Ihm will ich vermählen, wie Gott es gebeut,
			die Jungfrau Maria im Tempel noch heut.
   Die sechs Jünglinge zerbrechen zornig ihre Stäbe und die Stücke auf den 
      Boden.
Hohepriester:
			Hinweg aus dem Tempel und fordert nicht 
			heraus, ihr Verwegenen, Gottes Gericht!
					Sie eilen davon.
Hohepriester, zu Maria und Joseph:
			Ihr Gotteskinder, nur reicht euch die Hand,
			dass euch verknüpfe das heilige Band!
				Maria und Joseph nähern sich.
Maria:
			Ich hab` durch Gelübde mich Gott geweiht,
als Jungfrau zu leben alle Zeit.
Bist du bereit mich zu nehmen in Hut
und mir zu wahren dies heilige Gut?
Joseph:
			Durch Gottes Gnade du wurdest mein;
			drum will ich ein treuer Schützer dir sein,
			will dich hegen als Blume rein,
			blühend im goldenen Sonnenschein.

Hohepriester, beide die sich die Hände reichen, segnend:
		    Es segne euch, der im Himmel wohnt,
		    der in Herrlichkeit über den Sternen thront!
		    Es leuchte euch gnädig sein Angesicht!
		    Er führ` euch durchs Leben zum ewigen Licht!

				Chor der Tempeljungfrauen:
			Nun ist geschlossen der heilige Bund,
Besiegelt von euch mit Herz und mit Mund;
Geleite ein Engel dich, sonnenklar,
du David entprossenes, seliges Paar!

Aus Jesses Stamme wird sprossen ein Reis
und eine Blüte erschließen sich leis,
die Jungfrau empfangen den Gottessohn,
der einst wird herrschen auf Davids Thron.

		Viertes Bild.
   Mariä Verkündigung.
      Der Engelchor. Satan. Maria. Gabriel.
(Vorderbühne.)
  Engelchor:
Stille! Auf schneeweiß schimmernden Schwingen
schwebt der Engel zu Jungfrau hinein,
um der Erwählten die Botschaft zu bringen,
dass sie die Mutter des Höchsten soll sein.
Betet in heiliger Andacht Schauer
dieses hehre Geheimnis an!
Menschheit, vergiß deine düstere Trauer!
Siehe, dein Bräutigam will sich dir nah`n.
Juble ihn zu in seliger Wonne,
schmücke dich bräutlich, du irdisches Tal!
Jauchze! Die ewige Gnadensonne
senk sich hernieder mit leuchtendem Strahl.
	Die Engel verschwinden. Sagan taucht auf.
Satan:
Potz Pech und Schwefel! Die huschten davon
als hätt` ich am Schopfe gefasst sie schon!
Da hätt ich gehörig die Flügel gezaust!
weil ihnen vor mir so schrecklich graust.
	erregt:
Es muß etwas los sein besonderer Art,
daß Engel sich machen auf Wanderfahrt.
Ich fürchte ein Unheil fürs Reich, das mit Macht
	hohnlachend:
dem droben zu Trotz ich zustande gebracht.
Doch, Freund, nur kaltes ruhiges Blut!
Dein Bau auf sicherem Grunde ruht.
	Er läßt sich nieder:
Verflossen sind nun wohl viertausend Jahr,
seitdem ich das erste Menschenpaar 
verführte, so daß aus Edens Pracht
sie wurden gestoßen in Elend und Nacht.
Den spielte ich ihm als den ersten Streich,
und wunderbar gelang es mir gleich.
Die Menschen zu zwingen in meine Frohn
und ihnen zu zahlen den Sündenlohn.
Sie seufzen wohl schwer unter meinem Joch,
doch keiner vermocht` es zu lösen noch.
Durch Laster und Sünde führt ihre Bahn,
sie beten die die Götzen, das heißt mich an.
	Er erhebt sich:
O, welch eine Wonne! Deß Macht ist verkürzt,
der mich in den Abgrund der Hölle gestürzt! -
Und doch, wenn ich gleich mich wähne am Ziel,
mir bangt, als wäre gefährdet mein Spiel.
	Er deutet nach innen:
Da drin eine Jungfrau verborgen ist,

an der vergeblich all Trug und List.
Du weißt es, Satan, im Paradies
dein Feind den verführten Menschen verhieß,
daß einst ein Weib mit sicherem Schritt
der alten Schlange das Haupt zertritt. – 
Ach was, nur Fabeln sind`s, Kinderspott!
	Mit erhobenem Arm:
Triumph! Ich habe gesiegt über Gott!
In diesem Augenblick trifft ihn von der Innenbühne ein greller Lichtschein, dass 
er bestürzt entweicht.
Satan, fliehend:
Verflucht! Dieses Weib bringt überall
meine Pläne schmählich zu Fall! 
Der Vorhang öffnet sich.

(Innenbühne.)
    Der Erzengel Gabriel steht vor Maria.
Maria:
Siehe, ich bin des Herren Magt.
Licht von oben.
Mir geschehe, wie du gesagt!
        Gabriel sinkt in die Knie. Engel umringen Maria.

Engelchor:
Sei gegrüßt, o Gnadenreiche,
Jungfrau, Mutter unseres Herrn!
Keine ist, die dir sich gleiche,
strahlenheller Morgenstern.
Gleichst der Lilie, die im Tale
hebt den Kelch zu Himmelsau
und in silberweißer Schale
still empfängt den Frühlingstau.
So hast du den Herrn empfangen,
wie die Blume zart und rein,
hast das Gotteskind umpfangen,
dem die weite Welt zu klein.
	Ave Maria!

Füntes Bild:
Mariä Heimsuchung.
              Eine Schar kleiner Engel. Ein größerer Engel. Maria. Elisabeth. 
     Eine Dienerin.
(Vorderbühne.)
Eine Schar kleiner Engel hüpft mutwillig auf die Bühne herein, sie scherzen miteinander. 
Später kommt ein größerer Engel.
Größerer Engel.
So, nun seid still, lasst den Mutwillen sein
und horcht auf mein Wort recht artig und fein!
Ich flog aus dem Himmel mit euch erdenwärts
nicht bloß, das ihr spielet und treibet Scherz,
nein, ihr habt nun etwas Besonderes zu tun,
müßt wacker euch rühren, nicht müßig ruh`n
Ein kleinerer Engel:
	O, das ist ganz recht, wir freuen uns sehr!
Sag`nur geschwind, was ist dein Begehr!

Der größere Engel:
	So höret! Von seinem schimmernden Thron
stieg nieder zur Erde der Gottessohn. 
			In einer Jungfrau, vom Geiste erwählt,
hat aufgeschlagen der Herr sein Zelt. 
Und diese Jungfrau, ein Gottesschrein
wie Schnee auf den Bergen so lauter und rein,
wird gleich diesen Weg vorüberzieh`n
zu ihrer Base Elisabeth hin.
Der Weg ist rau und steinig und hart
und lange schon währt ihre Wanderfahrt.
Da ist sie vom Wandern wohl müde nun
und möchte gar gerne ein wenig ruhn. –
Ein kleiner Engel hat sich entfernt und hascht nach einem Schmetterling.
Großer Engel:
Du, laß den Schmetterling hübsch in Ruh
Und höret mir alle getreulich zu!
Ihr sollt den Weg nun säubern recht fein
Und spitzigen Dornen und hartem Stein
Damit sich ihr Fuß nicht verletze daran,
und frei von Beschwerde sie finde die Bahn!
		Die Engel klatschen in die Hände und springen freudig herum.
		Kleiner Engel:
			Heißa! Da sind wir gleich dabei!
			Schnell an die Arbeit, dass fertig sie sei!
Die Englein beginnen zu arbeiten, der kleinste Engel kehrt bald zurück:
Kleinster Engel, etwas weinerlich:
			Mir gab ein garstiger Dorn einen Stich!
			Hast du nicht andere Arbeit für mich?
Großer Engel, ihn streichelnd und ihm die Flügel zurecht richtend:
			Hast ja verwirrt deine Flügelein,
gewoben aus silbernem Mondenschein. 
Geh hin und pflücke Blumen geschwind,
dass draus ich der Jungfrau ein Sträußlein wind`!
Der kleinste Engel:
O ja die guckten schon lange nach mir,
die allerduftigsten bringe ich dir.
eilt davon. Die Englein kehren zurück, zuletzt der Kleinste mit Blumen, die er
 voll Stolz dem großen Engel überreicht. 
Ein kleiner Engel:
Wird sind jetzt fertig und wieder zu Stell`,
Nicht wahr, du lobst uns, dass wir so schnell?
Große Engel:
Brav, dass habt ihr recht fein gemacht!
Nun lasst uns hinweggeh`n leise und sacht!
		Die Engel verschwinden. Maria kommt auf die Bühne und lässt sich müde auf
					einen Stein nieder.
Maria:	
			Der Tag ist heiß, ohne Schatten der Weg.
			Ein wenig ich hier der Ruhe noch pfleg`!
			Des Weges erübrigt ja nicht mehr viel;
			ein Stündchen wohl noch, dann bin ich am Ziel.
			Hier weht vom Gebirge fühlend die Luft
			und ringsum haucht würziger Blumenduft.

			Da ruht es sich gut unterm schattigem Baum,
			mir ist`s als umfing mich selig ein Traum!
	Musik.
                               Die Engel kehren zurück, grüßen Maria, der kleinste überreicht ihr die Blumen.
                          Maria erhebt sich; die Engel schlingen um sie eine Blumenkette und führen sie unter
                               Führung des größeren Engels, der einen blumenumwundenen Stab trät, hinweg.

                                                   (Innenbühne.)
                                                               Elisabeth vor ihrem Hause. Es ist Abend.
                   Elisabeth:
	Der Abend sinkt und seine dunklen Schatten
	umspinnen grau des Abhangs grüne Matten.
	Wie wohl die Kühle nach des Tages Hitze tut!
	Da senkt sich auch die Stille in das Herz
	und rührt mit leisem Finger an der Seele Saiten,
	daß sie ertönen zu des Höchsten Preis. –
	Wie wunderbar, o Herr, bin ich gesegnet 
	im Alter noch durch deine Gnadenhuld!
	O löse doch dem Gatten auch die Zunge,
	die ihm gefesselt ist seit jenem Tage,
	da er im Tempel bei des Engels Wort,
	dass ihm den Sohn verhieß, im Zweifel schwankte!
		Eine Dienerin kommt auf Elisabeth zu.
                           Dienerin:
	Es naht ein Mädchen diesem Hause sich,
	o Herrin, müde, wie es scheint, vom Wandern.
                           Elisabeth:
	Vielleicht ist`s eine Pilgerin, die Obdach
	für diese Nacht in unserem Hause sucht.
	Ich will gewähren sie um Gottes Lohn.
	Geh` rasch ins Haus, bereite alles wohl,
	daß sie Erquickung finde, wenn sie naht!
		                           Dienerin ab.
                                            Elisabeth geht der Kommenden entgegen und erkennt Maria. 
                    Maria, auf Elisabeth zueilend:
	Der Friede Gottes sei mit dir, Elisabeth!
                           Elisabeth:
	Ist`s möglich? Täuscht mich auch mein Auge nicht?
		prophetisch
	Woher kommt mir das Glück, dass mir sich naht
	die Mutter meines Herrn in dieser Stunde!
	Gebenedeite unter allen Frau`n
	Und deines Leibes Frucht gebenedeit!
	Das Kind, das mir geschenkt des Himmels Gnade,
	tat mir frohlockend dein Geheimnis kund,
	als deines Grußes Wort ins Ohr mit klang.
	O selig bist du, weil du hast geglaubt!
	Erfüllen wird sich was der Herr gesagt. 
                    Maria:
	Dich, meinen Herrn, lobpreist meine Seele
	und es frohlockt mein Geist in dir.
	Engel erbeben vor deinem Befehle
	und du neigtest dich gnädig zu mir.

	
	
	Huldvoll herab hat dein Auge gesehen
	Auf die Niedrigkeit deiner Magd.
	Sehet, ein Wunder ist an mir geschehen,
	wie es der Engel, dein Bote, gesagt!
 	Selig werden fortan mich preisen
	alle Geschlechter von Mund zu Mund,
	und seine Macht auf Erden ward kund.

		       



		      
                               
                                                      Sechstes Bild.
	       Reise nach Bethlehem.
                                   Ein römischer Herold. Tubabläser. Soldaten. Volk, darunter ein Schneider.
                                   Ein Wanderer. Der Wirt Gamaliel. Nathanael, ein blinder Greis.
                                   Ein Knabe, sein Führer. Jehuda, ein Pharisäer. Maria. Josef. Volk.
		       (Vorderbühne)
                                    Ein römischer Herold mit einem Tubabläser und Soldaten mit Lanzen.
                                    Zahlreiches Volk, teilweise mit Arbeitsgeräten, darunter ein Schneider. Dumpfes
                                                           Gemurmel. Der Tubabläser gibt ein Signal.
                    Gerold:
	Stille jetzt! Achtung vor Roms Gesetz!
	Daß keiner den schuldigen Respekt verletz`!
	Vernehmt, was des Kaisers Majestät,
	die alle Dinge auf beste versteht,
	verordnet hat für das ganze Land,
	daß es männiglich werde bekannt!
                           Schneider:
	Ich weiß, wo die Geschicht will hinaus!
	Steuern bezahlen heißt es, der Daus!
                            Herold:
	Wer ist der Freche, der mich unterbricht?
	Ich laß ihn greifen, den kecken Wicht.
	Wenn wieder er muckst sich mit einem Wort,
	dann wandert er in den Turm sofort:
		erregt
	Faßt scharf man euch, störrische Juden, nicht an,
	dann ist`s um unsere Herrschaft getan! –
		im Amtston
	Hiemit sei männiglich kund getan,
	daß jeder, es sei nun Weib oder Mann,
	sich innerhalb einer bestimmten Frist
	begebe dorthin wo geboren er ist,
	damit sein Name und sein Geschlecht
	verzeichnet werde nach Fug und Recht.
	So will es der Kaiser. Wer sein Gebot
	verachtet, schwere Strafe dem droht!

                       Allgemeines Murren, Einzelne Rufe:“ Wozu die Wirtschaft? Wir haben es satt!“
                                                                 Einige drohen mit den Fäusten.
                       Schneider, sich vordrängend:
                                    Ist euch nun aufgegangen ein Licht,
                                    ihr blöden Toren? Begreift ihr`s noch nicht
	daß dem Sklaven und Knecht es gebührt,
	wenn er die Peitsche des Herrn verspürt?
	Jetzt jammert ihr, seid eines bessern belehrt,
	da´s Zeit war, habt ihr euch nicht gewehrt!
	So rührt euch und sprecht ein trotziges: Nein!
	Vielleicht zieht der Hand dann den Schweif vor euch ein!
		     Die Menge schiebt sich drohend vor.
                    Herold:
	Zurück, hinweg, wem sein Leben ist lieb! 
	He, Wache! Drauf los mit Stich und mit Hieb!
	Die Menge weicht bestürzt zurück. Der Schneider will entfliehen.
                    Herold:
                                   Und packt mir den Schreier dort fest beim Schopf!
	Der soll es mir büßen, der freche Tropf!  
                                
 	
	Der Schneider wird ergriffen und abgeführt. Die Menge beruhigt sich.
                           Einer aus der Menge:
                                   Erst hetzt er, der Feigling, dann läuft er davon!
Jetzt heißt es wohl baumeln! Das ist der Lohn!
                    Herold:
Jetzt marsch nach Hause, in euren Stall!
Ihr kennt den Befehl, befolget ihn all!
                         Die Menge zerstreut sich.

	            (Innenbühne.)
Straße in Bethlehem, die sich nach dem Freien öffnet. Lebhaftes Treiben. Ein-
heimische stehen vor den Türen. Fremde kommen und gehen, dazwischen römische
Soldaten. Abend.
Ein Wanderer, zum Schenkwirt Gamaliel tretend, der vor seiner Herberge
                                               steht, Ausschau haltend:
			He, gibt’s ein Plätzen hier noch für die Nacht?
			Das Wandern hat mich müde gemacht.
Auf staubiger Straße den ganzen Tag,
vor Ärger könnt einen treffen der Schlag!
	mit scheuem Seitenblick
Gott strafe den Kaiser, der nutzlos uns plagt,
von unsren Geschäften aus Hochmut uns jagt,
damit wir, wo jeder geboren ist,
aufzeichnen uns lassen zu dieser Frist!
	mit höhnischem Lachen
Ha, wisset der Kaiser will halten Rat,
wie viele Sklaven auf Erden er hat,
damit er mit Steuern uns armen Pack
auch noch den letzten Heller abzwack`!
Die Umstehenden werden unruhig, einige murren und ballen die Faust. Ein
      Soldat wird aufmerksam und kommt näher.
		Wirt:
			Freundchen, nun marsch ins Haus hinein!
			`s wird wohl noch Platz in der Herberge sein.
                                  		 Er schaut dem Fremden nach.
			Ach was! Der Kaiser macht es ganz recht.
Seht doch, mein Geschäft geht gar nicht schlecht!
Es lebe der Kaiser! Vivat hoch!
Mehr solcher Edikte erlasse er noch!
Dann bin ich gar bald ein gemachter Mann,
der sich in Ruhe zurückziehen kann. –
Ruf in der Ferne: „Der Messias ist nahe!“ Das Volk wird still und schaut
Gespannt nach der Richtung des Rufes. Ein blinder Greis, von ehrwürdigem
Äußern wird von einem Knaben herbeigeführt, Nathanael.
Nathanael:
Der Messias ist nahe, vom Himmel geweiht.
Macht eure Sinne und Herzen bereit!
Das Volk umdrängt ihn; er läßt auf einer Bank vor der
Herberge nieder, der Wirt ist erregt.
                  Wirt:
			Da hört nur den Toren, ihr Laffen und schaut,
als wär` ein Geheimnis ihm anvertraut!
Der Messias wär` nahe? Warum nicht gar?
Der läßt auf sich warten noch manches Jahr!
Doch öffnet den Mund so ein alter Tor,
rennt alles herbei, ist Auge und Ohr.



                   Nathanael, feierlich, die Arme ausbreitend:
Der Messias ist  nahe, Lobpreiset, lobsingt!
Mir sagt es die Stimme, die hier erklingt
Im Herzen, das lange gehofft und gefleht,
den Retter ersehnend in heißem Gebet.
                   Einer aus der Menge:
Was tust du uns doch für Zeichen kund,
dass glauben wir mögen, was spricht dein Mund?
                   Nathanael:
In Bethlehem, heißt es, kommt jener zur Welt,
den sich Jehova zum Sohne bestellt,
zum Herrscher des Volkes, der aus der Nor
es führe zum Licht durch Nacht und Tod.
Denn nicht die geringste der Städte bist du,
du Haus des Brotes, du Stätte der Ruh`!
                   Einer aus der Menge:
So ist es, Bethlehem ist auserkoren.
Doch sprich, wann wird uns der Heiland geboren?
Nathanael:
Was Daniel sprach, der große Prophet,
vom heiligen Geiste des Herrn durchweht,
von Jahreswochen, die müssen vergeh’n
bis wir den Messias auf Erden einst seh’n,
das ist nun erfüllt. Die Zeit ist um.
Dem Höchsten sei Ehre und Preis und Ruhm!
	Er erhebt sich, wie verzückt das Antlitz zum Himmel richtend.
Es klingt in den Sternen, es flüstert im Baum
nun soll sich erfüllen der goldene Traum.
Es will sich nahen, ersehnt so heiß,
der Fürst des Friedens. Er kommt so leiß
wie Tau auf die Blumen in der Nacht,
da nur der Hirt bei der Herde wacht.
Mir rauscht es die Quelle des Oelbaumhain:
Noch heute wird die Stunde sein,
da einzieht bei und, der uns retten will.
O öffnet die Herzen und harret still!
Er bleibt noch einige Zeit stehen. Wie in Schauen versunken. Jehuda, ein Pharisäer, tritt näher und wendet sich zum Volke
Jehuda:
Ihr Toren, seid ihr von Sinnen ganz
und laßt euch von diesem Faselhans
benebeln den Sinn und erkennt nicht,
daß dem nicht geleuchtet ein Himmelslicht?
Ich forscht’ in der Schrift gar manches Jahr,
mir wär es geworden doch offenbar,
wenn käme der Herr in dieser Zeit.
Auch käm’ er in Macht und Herrlichkeit
und Wunderzeichen gingen voraus.
Nichts sieht man davon. Geht ruhig nach Haus!
Und wartet bis aus der Berufenen Mund
euch werde das Nahn der Gesalbten kund!
	Zu Nathanael gewendet:
Und du laß dich warnen und stecke nicht an
die Leute mit deiner Geschichte Wahn!
Sonst schafft dich die strafende Obrigkeit
als Volksverführer in Sicherheit!
Er geht stolz von dannen. Die Dämmerung nimmt zu. Das Volk verläuft sich allmählich, nur noch wenige bleiben auf der Straße, darunter der Wirt und Natahanael, dir sich am Ausgang der Straße gegen das Freie niederläßt, der Knabe bleibt in der Nähe. Joseph und Maria kommen langsam die Straße herab.
Joseph:
Nun sind wir fast am Ende der Stadt
und nirgends zur Nacht eine Ruhestatt“
Mir ist’s nicht um mich, wo Herberg ich find’
um dich nur Maria, ums heilige Kind.
Maria:
Betrübe dich nicht. mein trauter Gemahl!
Es hat uns geführt über Berg und Tal,
durch Wälder und Schluchten des höchsten Hand
und seine Engel vom Himmel gesandt.
Vielleicht, dass der Mann dort uns Herberge gewährt,
wenn unsere Not er von dir erfährt.
Joseph,sich dem Wirte nähernd
Du guter Freund, die Frage verzeih’,
ob Nachtherberge im Hause noch sei
für mich und die Frau hier an meiner Seit?
Wir sind gewandert selbander schon weit,
wir klopften an manchem Hause schon an,
doch keine Tür ward aufgetan.
Nun bitt um Gottes Barmherzigkeit:
Sei du doch uns einzulassen bereit!
Wirt, Joseph mit einem verächtlichen Blick messend:
Das Haus ist schon voll, es kann nicht sein.
Landstreicher wie ihr, die laß ich nicht ein!
Joseph:
Wenn ich auch bei dir kein Erbarmen find’,
hab Mitleid doch Freund mit Mutter und Kind!
Ihre Stunde naht und die Nacht bricht an.
und nirgends ein Obdach, wo ruhen sie kann!
O, dank an die Mutter die dich gebar,
und laß uns nicht schmachten in Not und Gefahr
Wirt,hart:
Ich sagt’ es dir schon, es kann nicht geschehn.
Drückt euch, um euch anderswo umzusehn.
	spöttisch
Ihr seid ja gewohnt im Freien zu sein -
Doch halt: Da fällt mir gerade ein:
Dort draußen nicht fern, ist ein alter Stall,
da richtet euch ein für jeden Fall!
Aus Stroh ist bald ein Bettlein gemacht,
Und nun gute Reise und gute Nacht!
	Geht ins Haus. Joseph kehrt zu Maria zurück
Joseph:
Auch hier kein Obdach, mir blutet das Herz’
Und nirgendwo Mitleid in unserem Schmerz!
Maria:
O laß uns, Gemahl, mit frommen Vertraun
zum Vater der Armen und Waisen aufschaun!
Verzage nicht, schöpfe aufs neue Mut!
Wir stehen in Gottes heiliger Hut
Ist’s auch ein Stall nur, ärmlich und klein,
der Heiland wird ihn zum Tempel doch weih’n
Er will erscheinen in Niedrigkeit.
Sein Wille sei ewig gebenedeit!
Beide wandern eiter aus der Stadt auf die Landstraße. Dabei Kommen sie an Nathanael vorüber, der versunken in sich dasitz.
Nathanael,auf die Knie sinkend, die Hände vor dem Gesicht:
Messias, Heiland, Gottessohn!
Es naht dein heiliger Gnadenthron
er bleibt einige Zeit wie verzückt knien, dann erhebt er sich und ruft
Ein Wunder, ein Wunder ist mir geschehn,
meine Augen, die blinden, das Licht wiedersehn!
Wo dunkel gelagert so manches Jahr,
da ward es auf einmal nun hell und klar.
Wo ist der Messias? Er war es, ich weiß
O, helft ihn mir suchen, ihm danken heiß!
Der Knabe kommt gelaufen und will ihn bei der Hand fassen
Knabe:
Kommt, Vater! Die Nacht herein schon bricht!
Ihr für’ euch nach Hause. Fürchtet euch nicht
Nathanael:
Der Führung bedarf ich nicht mehr mein Kind.
Ein Wunder geschah mir. Ich sehe, der blind
ins Dunkel nur starrte, so öde und graus.
Mir ist es, als käm’ ich verirrt nach Haus! -
Sahst du den Messias vorüber nicht ziehn?
Er hat mich geheilt. Wo schwand er doch hin?
Knabe:
Zwei Leute nur arm und mit müdem Gesicht
vorübergingen ganz still und schlicht.
Nathanael:
Wohin doch, o sprich, ging jener Weg=
Ich will ihnen folgen auf jeglichem Steg
Knabe:
Ins Freiesie zogen, dort hinaus,
weil hier man verwies ihnen Zutritt zum Haus
Man hört in der Ferne Gesang: Gloria in excelsis Deo.
Nathahnael, verklärt
O horch! Ein Klingen durchzittert die Luft
so selig und süß wie Blumenduft,
als schwebte vom goldenen Sternenraum
der lang schon ersehnte Friedenstraum.
Was unseren Vätern ward anvertraut,
was sie i Geschichten prophetisch geschaut,
in dunklen, ahnenden Bildern verhüllt:
Des Heilands Ankunft, nun ist sie erfüllt!
Neuerdings ertönt aus der Ferne das Gloria in excelsis Deo.

Siebtes Bild
Die heilige Nacht.
Joel, Amos, Baruch und andere Hirten und Hirtenknaben. Gabriel. Der Engelchor. Maria und Joseph
(Vorderbühne)
Hirten, die ihre Herden eingepfercht haben, kommen um zu rasten.

Joel, älterer Hirte zu den anderen
Das Vieh ist nun in die Hürden gebracht.
Jetzt können wir sorglos verbringen die Nacht,
um unser Feuer gelagert hübsch warm;
das summt wie im Frühling ein Bienenschwarm.
	läßt sich nieder
Ich weiß nicht so eigen ist heut mir zumut!
	aufschauend
Die Sterne leuchten in heller Glut,
es liegt was Besonderes in der Luft
wie von Blumen und Kräutern ein würziger Duft
Amos, ein jüngerer Hirte:
Du bist ein Träumer, der immer was sieht!
So sage uns doch was heut noch geschieht?
„Geschehen wird was!“ ist gleich gesagt.
Denn weißt du nicht Antwort, wenn einer dich fragt
	die anderen lachen
Joel:
Nicht gar so naseweiß, junger Gesell!
Die alten Augen sehen oft hell.
Ihr denkt wohl, das wäre ein leeres Spiel,
der Alte hat einen Sparren zu viel!
Es kommt noch die Zeit, da jeder gesteht:
Der alte Joel war doch ein Prophet!
Amos:
Ei freilich! Weil es in unserer Zeit
keine Propheten vom Himmel mehr schneit,
drum stand der alte Joel hier auf
zu künden den Menschen den Weltenlauf.
Wenn ihr den Mann euch genau beseht,
werdet ihr sagen: „Ein echter Prophet!“
	etwas spöttisch:
Kein Haar auf dem Kopfe, ein langer Bart,
das ist ja bekanntlich Prophetenart!
Fehlt nur noch der Geist. Der stellt sich schon ein,
wenn wir noch ein wenig gedulden uns fein!
Baruch, eine Schalmei in der Hand haltend zu Amos:
Spotte mir über den Joel nur nicht!
Der weiß doch mehr als du Milchgesicht!
Der alte ist fromm und wenn er allein
die Schafe bewacht im Mondenschein
und mit dem Vater da oben spricht,
dann wird er begnadet mit manchem Gesicht.
Amos,begütigend:
Verzeihet mir, Alter! Ihr selber ja wißt,
die Jugend ist keck und leicht sich vergißt.
Komm , Baruch, spiele auf deiner Schalmei
ein Liedchen ihm vor, dass besänftigt er sei:
du hast chon bei Krimeß und Hochzeitsfest
die Leute erheitert aufs allerbest.
Joel:
Hernach! Jetzt hört meiner Kunde zu!
Dann mögt ihr spielen in aller Ruh!
	Alle umringen ihn.
Als jüngst ganz einsam ich stand auf der Flur,
bei mir mein Hund und die Schäflein nur,
da kam ich wie das in der Regel so geht,
ins Grübeln hinein und auch ins Gebet.
Da war’s mir, als riefe es irgendwo:
„Mein guter Joel, sei munter und froh!
Du bist zwar schon alt, doch erlebst du die Zeit,
da der Friedensfürst kommt und sein Volk befreit:“
Ich kann euch nicht sagen, wei da mir geschah.
Doch weiß ich nun eins: Der Messias ist naht!
Nun ist gekommen die Fülle der Zeit.
Da Gott wird erscheinen in Herrlicheit. -
Nun, Baruch, laß hören die Melodei,
die David schon spielte auf seiner Schalmei,
da er als fröhlicher Hirtenknab’
mit seine Herde zog auf und ab!
Baruch:
Gern will ich euch diesen Gefallen tun.
Doch lasse der Amos die Zunge hübsch ruhn.
Die läuft wei ein Spinnrad uns ist so fein
und spitz wie die Zunge beim Schlängelein!
Nun lauschet in Andacht und schweiget still,
mein Lied vom Messias euch künden will.
	Lied:
Aus Bethlehem wird eins erstehen ein Stern
und leuchten den Pilgern von nah und von fern.
Dann wird sich die Wüste schmücken mit Grün,
die Unfruchtbare frohlockend erblühn.
Der Vorhang der Innenbühne öffnet sich, ein Engel ist sichtbar in Lichtglanz. Die Hirten sinken auf die Knie.
Engel,Gabriel:
Ich tue euch große Freude kund,
In Bethlehem ward euch zu dieser Stund
der Heiland geboren: Das Zeichen soll sein:
Ein Kindlein in Windeln im Kripplein
ihr werdet finden in einem Stall.
Das grüßet mit süßem Freudenschall.
Mit eurer Hirtenschalmein Klang,
mit euren Stimmen jubelndem Sang!
Es ist der Herr, der vom Sternenzelt
herniedergestiegen auf diese Welt.
	Engelscharen erscheinen und singen:
Ehre sei Gott im Sternensaal
und Friede den Menschen im Erdental!
Gloria in excelsis Deo!
	Der Innenvorhang schließt sich
Baruch:
Habt ihr’s gesehen? Geblendet noch ganz
bin ich von all dem Schimmer und Glanz.
Der Joel ist doch ein wahrer Prophet,
so einer, wie er im Buche steht.
Joel, noch immer kniend mit ausgebreiteten Armen:
Du ewiger Gott! Aus Herzensgrunde
sage ich Dank dir für diese Kunde,
Daß der Messias uns ist erschienen,
dem Himmel und Erde mit Freuden dienen,
Daß ich noch dieses Glück erlebt! -
O wie mein Herz vor Jubel erbebt! -
Auf, Hirten, laßt uns eilen geschwind,
dass wir es schauen, dass himmlische Kind!
Ihr habt es gehört: zu seinem Gezelt
hat sich der Messias den Stall erwählt,
will ruhen in einer Krippe klein.
Der wird ein guter Hirte eins sein.
Drum tat er uns Hirten durch Engelsmund
zuerst seine Ankunft auch wahrlich kund.
Und da er auch arm, des Nötigsten bar,
so laßt uns Geschenke ihm bringen dar.
Kommen sie auch aus armer Hand,
so sind sie doch unserer Liebe Pfand!
	Alle stimmen freudigg zu.
Amos:
Ich bringe ein weiches Fell dem Kinde
darauf zu ruhen, recht weich und linde.
Ein anderer Hirte
Und ich einen Napf mit Milch ganz rein,
die soll der Mutter Erquickung sein.
Ein Hirtenknabe:
Ich habe ein weißes Lämmlein fein,
das soll dem Kindlein Gespiele sein!
Es hüpft so munter, so zierlich es ist,
drum will ich es bringen dem heiligen Christ
Baruch:
Und ich will dem Heiland auf meiner Schalmei
vorspielen der Lieder gar mancherlei.
Da werden die Augen ihm glänzen hell
so frisch wie im Walde der muntere Quell.
Joel:
Nun lasset uns eilend nach Bethlehem gehen,
damit wir das Kindlein mit Augen sehn.
	Die Hirten brechen auf.
(Innenbühne)
		Der Stall Anbetung er Hirten. Lebendes Bild
Gesang:
Stille Nacht, heilige Nacht,
Hirten erst kund gemacht
durch der Engel Alleluja.
Tönt es laut von fern und nah:
Christus der Retter ist da!

Achtes Bild
Mariä Reinigung
Ein Taubenkrämer, Maria, Joseph, Jehuda, ein Pharisäer. Der Hohepriester. Die Propehetin Anna. Leviten, Volk.
(Vorderbühne)
Vor dem Tempel. Ein etwas komischer alter Krämer, der Tauben feil hält.

Krämer:
Warte nun schon den halben Tag,
doch niemand hierher heut kommen mag!
Sonst kommen die Leut oft scharenweis,
daß ich mir kaum zu helfen weiß.
Ein jeder will haben ein Taubenpaar,
sein Kind im Tempel zu stellen dar
und, wie es Gewohnheit seit alter Zeit,
es loszukaufen, dem Herrn geweiht.
	seine Tauben betrachtend
Seid mir still! Es gefällt euch schlecht
da drinnen im Käfig. Da habt ihr schon recht.
Viel schöner wär’s draußen in freier Luft
zu flattern umher über Fels und Kluft,
im Walde zu sitzen auf hohem Baum,
als wäre man Herr der ganzen Welt;
dann Körner zu picken vom Weizenfeld!
zwei herausnehmend
Euch zwei da die Langweil besonders plagt,
weil ihr so sehr mit den Flügeln schlagt.
Doch wartet, es kommt vielleicht doch noch ein Paar,
dann ist’s mit der Langweil bald gar;
dann kommt das letzte Stundelein.
Da drinnen für euch, meine Täubelein!
	Auf den Tempel deutend
	Maria mit dem Kinde und Joseph treten ein.
Krämer:
Ei der Tausend! Nur immer herein!
Da gibts ein Geschäft, wenn auch nur klein,
	beide musternd
Bei denen springt wohl nicht viel heraus;
die sehen so ärmlich gekleidet aus! -
	zu beiden
Ein paar Tauben, gefällig, recht zierlich ganz weiß,
ihr lieben Leutchen, um billigen Preis?
Joseph:
Mein Freund, wir sind arm und mittellos
und haben wenige Pfennige bloß.
Ueberlaß uns die Tauben um Gotteslohn!
Der Herr wird dich segnen hienieden schon.
Krämer, der unterdessen das Kind angesehen hat
Ich bin zwar sonst nicht gnädig gesinnt,
doch weil so hold und lieblich das Kind,
so schenk ich die Tauben euch ausnahmsweis,
verlange dafür nicht Entgelt noch Preis.
Joseph:
Hab’ Dank, du Guter, Gott segne dich,
dass du uns geholfen so mildiglich.
Krämer:
da Kind hat es wahrlich mir angetan,
ich muß es noch einmal mir sehen an.
Jehuda, ein Pharisäer ist inzwischen gekommen und mustert die hl. Familie verächtlich.
Jehuda:
Gesindel! So gehts in der heutigen Welt,
man heiratet flugs ohne Mittel und Geld;
dann kommen die Kinder, mit ihnen die Not.
Und dann wird gebettelt um Opfer und Brot.
	Geht stolz hinweg
(Innenbühne)
Der Hohepriester nimmt die Tauben von Joseph in Empfang und gibt sie einem Leviten; dann segnet er Maria und das Kind. Der greise Simeon trit hervor; Maria reicht ihm das Kind, das er auf seine Arme nimmt. Die greise Anna im Hintergrunde. Während dieser Vorgänge Musik.
Simeon:
Nun lässest deinen Diener, Herr und Gott,
nach deinem Worte du in Frieden scheiden.
Es haben meine Augen heut geseh’n
dein Heil, das gnädig du bereitet hast
vor aller Erdenvölker Angesicht:
Ein Licht, den Heidenstämmen zur Erleuchtung
und zu des Volkes Israel Verherrlichung
Maria, zu Josef:
Sieh, welche ein Gnadenkind uns ward
von Gottes Hand zur Obhut anvertraut!
Laß uns getreu dies Himmelskleinod hüten
von dem ein Segenquell enströmen wird!
Simeon,zu Maria
O sei gepriesen, Mutter dieses Kindes,
von Gott gesegnet mehr denn alle Frau’n!
	auf das Kind deutend
Doch siehe dieser ist gesetzt zu Fall
und Auferstehung vieler dieses Voldkes,
zu einem Zeichen, dem da widersprochen wird.
	Zu Maria
Und deine Seele wird ein Schwert durchdringen,
dass vieler Herzen Sinn wird offenbar,
	Er gibt Maria das Kind zurück
Maria:
Wie Gott es will! Bereit bin ich zu dulden
Anna,vortretend:
O selige Mutter, laß auch mich dies Kind
mit meinen alten trüben Augen schauen!
Dir heißen Dank, mein Gott, für diese Gnade
daß ich den Retter Israels geseh’n!
Der Jahre vierundachtzig bin ich alt;
und seit ich Witwe, habe ich im Tempel
die meißte Zeit verbracht und Gott gebeten,
daß endlich der verheißne Heiland käme,
aus den sein Volk mit Sehnsucht hat geharrt.
Erfüllt ist nun die Zeit, ich sterbe gerne;
ich habe keinen Wunsch ans Leben mehr.
Zieht hin in Frieden! Mit euch ist der Herr

Neuntes Bild
Die Weisen aus dem Morgenland
Kaspar, Melchior, Balthasar, diehl. Drei Könige und ihre Diener. Maria und Joseph mit dem Jesuskinde
(Vorderbühne)
Kaspar, Melchior, Balthasar mir Gefolge vor dem Hause, in dem das Kind weilt. Der Stern glüht auf über der Innenbühne

Kaspar:
Wir sind am Ziele. Seht den Stern dort stehen,
hell strahlend über jenem niederen Haus!
Dort muß der neugeborene König sein,
Den uns der Stern verkündete in der Ferne.
Melchior; Zum Stern aufblickend:
Hab’ Dank o Stern! Du hast uns treu geleitet.
Durch Wüsten schweigend, endlos weit,
durch düstre Wälder, über mächt’ge Sröme
ging unsr’e Fahrt, doch überall erglänzte
des Sternes Licht ob uns gleich güt’gem Auge.
Balthasar:
Nur einmal war es, dass sein Strahl erlosch
dort in Jerusalem, der heil’gen Stadt,
und seltsam will es heute mir noch dünken,
dass von dem neugeborenen Königssohne
kein Wort wußte Herodes noch die Schriftgelehrten,
an die wir fragend um Rat uns gewandt.
Ein Achselzucken nur und spött’sches Lächeln
war Antwort dort auf alle unsere Fragen.
Kaspar:
Nicht wert vielleicht hielt sie der Herr der Gnade,
die uns zuteil geworden, uns den Fremden,
weil sie in Wissensstolz ihr Herz verschlossen.
Laßt uns ihm danken, daß er uns berief
in seiner Huld als Zeugen seiner Gnade!
	Zu den Dienern
Nun reicht uns unsre goldnen Königskronen,
auf dass in königlicher Ziert wir nahen
dem Königskind, anbetend es verehren!
Die Diener bringen Diadame, die sich die Weisen aufs Haupt setzen
Kaspar
Nun die Geschenke, die vom fernen Osten
wir mitgebracht fürs hohe Gotteskind,
zu dem der lichte Stern den Weg uns wies!
	Zu einem Diener
Reich’ mir den Schrein, gefüllt mit lautrem Golde,
das aus der Berge tiefem, dunklem Schacht
gegraben ward im Sonnenstrahl zu glänzen!“
Wie oft hat’s schon der Menschen Herz verführt
mit seinem Glanz zu grauser, blug’ger Tat!
Nun sei’s dem Königskinde dargebracht,
daß sich ein Kinderaug’ am Schimmer freue!
	Ein Sklave reicht ihm ehrfürchtig den Schrein.
Melchior:
Wir aber bringt herbei den duft’gen Weihrauch,
den auf Arabiens glutversengten Fluren,
der Sonne Strahl mit Wohlgeruch erfüllt!
Dem Gotteskinde sei als Opfer es geweiht
in weißen Wölkchen himmelwärts entschwebend
Balthasar:
Und mir, der ich jenem Ertteil stamme,
wo Sonnenbrand das Antlitz dunkel färbt,
mir reicht der edlen Myrrhe bittres Harz,
dem menschgewordenen Gottessohn als Gabe!
	Sei treten durch den Mittelvorhang ins Haus
(Innenbühne)
Josef und Maria mit dem Kinde. Die drei Weisen werfen sich vor dem Kinde nieder und überreichen die Geschenke.
Kaspar:den Schrein übergebend:
Du König aus des Himmels Höh’n gekommen
nimm hin dies Gold als königliche Zier,
mit ihm des Herzens flammende Liebe,
wovon dies lautre Gold ein Sinnbild sei!
	Zu Maria:
und du, o Mutter, die mit solchem Kinde
begnadet ward vom Himmel, sei gegrüßt!
Melchior, das Weihrauchgefäßchen opfernd:
Und ich, du Gottessohn, die Weihrauch biete
zum Opfer dar, und wie des Weihrauchs Duft
zum Himmel steiget in der Flamme Glut,
so löst in Andacht auf sich meine Seele,
dir ganz geweiht für Zeit und Eweigkeit
Balthasar,die Myrrhen darbietend:
Als dritter bringe ich dir Myrrhe dar,
damit bekundend, dass auch Mensch du bist,
wie wir, des Leidens und der Schmerzen fähig,
um uns in allem gleich zu sein, vom Himmel
herabgestiegen aus des Vaters Schoß.
Und mit den Myrrhen nimm, o Kind, mein Herz
und all sein Leid mit ihm und seinen Schmerz
Engelchor:
König der Glorie niedergestiegen aus des ewigen Vaters Schoß,
hier in der Wiege wolltest du liegen als ein Kindlein zitternd und bloß, 
Selige Mutter, mit deinem Kinde, segne sie hold wie mit himlischem Pfand,‘
daß ihrer Seele Sehnsucht sich finde heim in das ewige Vaterland.
Die Weisen kehren aus dem Hause zurück und lassen sich zum Schlummern nieder.Der Innenvorhang schließt sich hinter ihnen. Musik. Gabriel erscheint, berührt ihre Stirnen und geht durch den Vorhang ins Innere. Sie erwachen vom Traum.
Kaspar, erwachend, zu den beiden anderen, die sich ebenfalls aufrichen:
Wie seltsam war mirs’ doch! Kaum eingeschlummert,
sah einen lichten Engel ich, umwoben
von Strahlenglanz, der mich berührend sprach:
„Auf andrem Wege kehrt in euer Land zurück!
Herodes ist ein Feind dem Königskinde.
Drum meidet seine Stadt und seinen Hof!“
So sprach der Engel und ich wachte auf.
Melchior:
Das gleiche Trambild ward auch mir zuteil.
‚s ist Gottes Stimme. Lasset uns nicht träumen!
Balthasar:
Wie euch, so ist auch mir im Schlaf gescheh’n
Es ist kein Trug, was dieser Traum uns mahnt.
Schon in Jerusalem war mir verdächtig,
wie mit verstellter Freundlichkeit Herodes
in das Geheimnis einzudringen suchte
und das so drängte, im Kunde zu bringen,
falls wir das Königskind gefunden,
auf daß auch er es anzubeten käme.
Unheimlich flackerte dabei sein Auge,
als ob von Eifersucht sein Herz erglühte
und für die Krone auf dem Haupt er bangte.
Darum hinweg von ihm, dem Böseweicht!
Kaspar:
Ihr Sklaven auf! Brecht eilends ab das Lager.
Noch graut der Morgen nicht, die Sterne leuchten,
doch Zeit ist’s auf die Heimkehr uns zu machen.
So sattelt Pferde und Kamele hurtig,
dass alles wir bereit zu Reise finden,
wenn wir die Stätte hier verlassen!
	Diener ab
Und nun ihr Freunde, laßt uns Abschied nehmen,
eh’ wir für immer von dem Orte scheiden,
wo uns das größte Glück beschieden ward!
	Sie knien nieder.
Du Gotteskind, zu dem aus weiter Ferne
ein Wunderstern uns hat geführt,
nur ein Augenblick ward uns vergönnt,
dein himmlisch holdes Angesicht zu schauen.
Doch dieser Augenblick barg Ewigkeit
für uns von sel’ger Himmelswonne . -
Und nun leb wohl! Dein Bild soll uns geleiten
durch dieses Erdenleben Pilgerfahrt,
bis wir dich wiederseh’n im Vaterhause!
Alle drei:
Leb’wohl, du Kindlein von Gott gesandt!
Wir ziehen nun wieder ins Morgenland.
Doch unsere Herzen bleiben zurück
bei dir, dem holden Himmelsglück.
Durch öder Wüsten brennende Glut,
durch finstere Wälder und schäumende Flut
geleite uns du mit segnender Hand,
o göttliches Kind, in das Heimatland!
Schon dröhnet der eilenden Pferde Huf,
schon schallet de Diener jubelnder Ruf!
Sie mahnen uns laut zur Reise geschwind - 
Noch einmal wir grüßen dich, Gotteskind.
Dich Kind, das im Stalle geboren ist,
den Herrn und Heiland Jesus Christ:
Dir unsere Herzen auf neue wir weih’n _ 
O wolle der Heimfahrt gnädig sein!
Sie brechen auf.
(Innenbühne)
Joseph und Maria im Zimmer. Es ist Nacht
Josef:
Verzeihe, dass ich mitten in der Nacht
dich aus dem Schlummer wecke! Gottes Wille
gebot es so. Des Kindes Leben - - 
Maria:voll Angst
Des Kindes Leben ist bedroht, sagst du?
Joseph:
So hör in aller Eile! Als im Schlafe
ich lag, erschien ein lichter Engel mir
und rief mir zu mit ernster Miene:
„Steh’ auf und nimm das Kind uns seine Mutter!
Flieh nach Ägypten und bleibe dort,
bis ich dir’s sage! Denn Herodes ist gewillt,
das Kind zu suchen, um es dann zu töten!
Maria:
Barmherz’ger Vater! Schütze deinen Sohn!
Joseph:
Ich ahnt’ es wohl, Herodes der Tyrann,
der Blutmensch bangt um seine Krone.
Da gilt kein Zögern! In der Nacht noch müssen
wir aus dem Lande in die Fremde zieh’n
Wenn ich nur wüßte, wo dort Obdach finden?
Maria:
Sei ruhig, mein Gemahl! Der güt’ge Vater
wird Rat und Hilfe schaffen, kommt die Zeit.
Joseph:
Dein Wort ist Trost, da ich so stark die finde!
Für dich war ich in Angst nur und für’s Kind. -
Kein Säumen mehr! Versorge du das Kind!
Ich will das Nöt’ge für die Reise rüsten.
Gott wird uns schützen. Es gilt seine Sache!
	Der Vorhang schließt sich
Zehntes Bild
Die Flucht nach Ägypten
Ein altes Weib, Satan. Die Krieger des Herodes, Ein Köhler, Phokas, Dismas, seine Buben, Maria und Joseph mit dem Kinde
(Vorderbühne)
Straße nach Bethlehem. Ein altes boshaftes Weib mit einem Bündel Holz rastend

Weib:
Will ein wenig noch  rasten, dann geh’ ich zur Stadt.
Ich hab’ nun die Plackerei bald satt!
Unser Herrgott ist doch ganz ungerecht,
den ein läßt immer er’s gehen schlecht,
die anderen leben in Saus und Braus
und lachen uns arme Toren bloß aus.
	Aufspringend
Ganz Gift und Galle ich heute bin,
ich könnt gleich alles mit kaltem Sinn
erwürgen, was in den Weg mir gerät!
Nichts als nur sich plagen früh und spät;
das fährt mir durchs Herz wie ein Messerstich!
Hole der Teufel die Welt und mich!
Satan, geharnischt wie ein Krieger erscheint plötzlich, das alte Weib läuft mit einem Schrei davon.
Satan:
Dich hab ich wahrlich nicht schlecht erschreckt
und ganz gehörig gefoppt und geneckt!
Was ruft sie auch immerfort nach mir?
Ich mag sie nicht! Bleiben soll sie nur hier!
Da dient sie mir auf der Welt ganz gut
und manch einen Dienst meinem Reiche sie tut.
	Zum Himmel:
Du droben , noch bin ich nicht abgesetzt!
Ich wette, das Spiel gewinn’ ich zuletzt!
Der Plan ist aufs allerfeinste erdacht.
Das Kind muß werden ums Leben gebracht.
So flüsterte ich dem Herodes in Ohr
und schürte die Eifersucht. Ha, der Tor!
Er wähnte, es könnte die Königskron’
das Kind, das neugeborne, bedroh’n
Jetzt schickt er seine Soldaten aus,
die haben Befehl von Haus zu Haus
in Bethlehem alle die Knäbelein,
Die nicht zwei Jahre, zu fangen ein
und sie zu morden ohn’ Gnad und Pardon.
Da kommt der Messias gewiß nicht davon!
	Soldaten treten auf
Satan, zu den Kriegern:
Halt! Ich bin von Herodes gesandt,
euch anzuführen mit eigener Hand.
Nun stellt euch alle in Reih und Glied!
Daß keiner mir eine Miene verzieht
oder erweicht durch Weibergeschrei.
Eines der Knäblein gebe frei!
Es ist strenger Befehl, daß alle ganz gleich
treffe durch euch der Todesstreich!
Da gilt kein Unterschied und kein Rang.
Das Morden muß nehmen seinen Gang
	das Schwert ziehend
Nun vorwärts! Heraus das blitzende Schwert,
das erst nach der Tat in die Scheide fährt!
Soldaten:
Wir folgen dir! Du bist unser Mann“
Mit dir die Welt man erobern kann!
Satan, ein Hohngelächter aufschlagend:
Ja, ich bin wahrlich der Herr der Welt!
Mit mir seid ihr alle aufs beste bestellt!
	Er stürmt mit der Rotte von dannen
(Innenbühne)
Dichter Wald, Köhlerhütte. Ein struppig aussehender Mann mit zwei Buben. Mittag
Köhler:
So, jetzt an die Arbeit, ihr Schlingel! Macht schnell!
Ihr schlaft bis in der Morgen ganz licht und hell,
dann wollt ihr brav essen, doch arbeiten nicht.
	Zum älteren
He Phokas! Ich schaffe dir Beine, du Wicht!
Dort bei dem Weiler halte mir Wacht,
daß nicht der Wind das Feuer entfacht!
Phokas:
Es freut mich nicht, Vater, will streifen im Holz
Ein Reh mir erlegen mit meinem Bolz,
dann können wir, wenn ich es bringe nach Haus,
recht gütlich uns tun an dem leckeren Schmaus.
Köhler:
Du Taugenichts, das ist ein Vorwand bloß;
willst machen dich von der Arbeit los.
Dich packt noch einmal de Teufel beim Schopf
und setzt dir zurecht deinen trotzigen Kopf!
Fürchtest du nicht das Wetter im Wald,
das grollend sich ferne zusammenballt?
Phokas, schon ferne:
Das Wetter, Vater, macht bange mir nicht,
viel weniger als dein wildes Gesicht!
	Läuft davon:
Köhler:
Der Schurke endet am Galgen noch,
geht’s gut im finsteren Kerkerloch! -
	zum Jüngeren, weicher,
Komm, Dismas, du bist noch mein einziger Trost,
Schau nach, ob das Feuer im Weiler glost!
Und spute dich, kehre bald mir zurück!
Du hast noch zu leisten ein anderes Stück
	Dismas ab.
Köhler:
Er muß mir noch späh’n, ob ein ein Wandersmann
nicht nimmt seinen Weg durch unseren Tann!
	Ironisch
Von jedem erhebe ich ein Zoll,
der durch meinen Wald passieren soll!
Ich mach’s wie die Fürsten. Der Wald ist mein Reich.
Ist’s jemand nicht recht, so gilt es mir gleich.
Das muß so ein Nebenverdienst für uns sein.
Viel trägt ja das Kohlenbrennen nicht ein! -
	nachdenklich
Zehn Jahre schon haus’ ich im Walde hier 
mit Bäumen zusammen und wildem Getier.
Wie der Vogel im Baume bin ich hier frei
fernab von den Menschen und Ihrem Geschrei. _
Wie seltsam alles mir heute erscheint!
Was nur dieses Schweigen des Waldes wohl meint?
Kein Blatt im Baume sich rühren will,
Als harrte der Wald auf etwas still.
	Zum Walde
Ich kenne dich, Alter, ein Träumer bist du!
Birgst manch ein Geheimnis in deiner Ruh’!
	Dismas kommt gelaufen.
Nun Junge, was kommst du so eilig gerannt?
Ist etwa der Weiler geraten in Brand!
Dismas:
Nein, Vater, beim Meiler ist alles gut.
Doch hör’! Als ich schaute hinein die die Glut,
von ferne ein Rascheln im Laub ich vernahm
und Stimmengetöne, das näher kam.
Im Busch ich mich duckte und sah es genau:
ein Mann schritt fürbaß mit seiner Frau,
die war so lieblich und hold von Gesicht,
und trug ein Knäbelein, von dem ein Licht
ausstrahlte ob seinem Haare blond,
wie durch die Wipfel schimmert der Mond.
Da schrak ich zusammen und lief wie der Wind
durch Busch und Strauch zur Hütte geschwind.
Köhler:
Junge, du träumst wohl am hellen Tag!
Wer solche Dinge wohl glauben mag?
Ha, ha! Ueberm Haupt eines Kindes ein Licht!
Die Sonne, wenn durch die Zweige sie bricht,
ob jeglichem Kopfe macht solchen Schein,
da braucht man kein Wunderkind wahrlich zu sein!
Und dann, wenn wir einsam im Walde geh’n;
da glauben wir manches zu hören, zu seh’n.
Wenn all das man hielte für richtig und wahr,
da müßte man sein im Kopfe nicht recht klar!
Nein, nein! Sei nur ruhig“ Es werden die zwei
gleich kommen an unserer Hütte vorbei.
Wir bleiben versteckt und dann sei gefaßt
un ihnen genommen, was eben uns paßt!
Nur keine Flausen! „Frisch und keck!“
sagte die Maus und biß in den Speck.
Dismas:
Nein Vater, ich bitte dich, tu es nicht!
‚s sind arme Leute mit braven Gesicht.
So rührend das Kindlein im Mutterarm - 
ich könnte ihm wahrlich nicht tun einen Harm.
Köhler:
Ach was! So mach’ doch kein trübes Gesicht!
Ich nehme den beiden das Leben ja nicht.
Dismas, niederkniend:
O Vater, wenn nichts dich zu rühren vermag,
es ist heute der Mutter Sterbetag!
Köhler, weicher:
so sollen sie ziehen, frei von Gebühr!
Sie mögen sich bei dir sich bedanken dafür!
Dismas:
Sie kommen schon! Laß in die Hütte sie ein!
Sie werden vom Wandern wohl müde sein
	Joseph und Maria mit dem Kinde kommen auf die Bühne, Köhler und Dismas weichen ehrfürchtig zurück
Joseph:
Der Friede des Höchsten sei dir zuteil
und Gottes Segen und Gnadenheil!
Laß uns ein Stündchen hier sein dein Gast
und finden in deiner Hütte Rast!
Ein Trunk von der Quelle, ein Stückchen Brot
genügt zu lindern unsere Not.
Köhler:
Seid arme Leute! Was ihr begehrt,
sei gerne von uns eure Bitte gewährt!
Dismas, der sich Maria genähert hat:
O Vater, sieh nur das liebliche Kind!
Erdbeer lauf ich suchen geschwind.
Gar saftig und rot sie auf einen Schlag
wachsen, soviel ich nur holen mag.
Köhler:
Brav, Junge! Und schöpfe zugleich aus dem Quell,
der sprudelt vom Felsen so frisch und hell!
Dismas ab
Du, Weib magst in die Hütte dort gehen,
das Kind zu besorgen! Bis dies geschehn,
bleiben wir beide hier außen im Wald.
Der Junge wird, mein’ ich, zurück sein bald,
Maria geht mit dem Kinde in die Hütte. Joseph läßt sich auf einen Baumstumpf nieder
Köhler:
Ihr seid wohl beide vom Wandern matt.
‚s ist heute so schwül; es regt sich kein Blatt.
Wohin geht die Reise? Ihr fürchtet euch nicht,
den Wald zu durchwandern so weit und dicht?
Joseph:
Uns schützt vor Gefahren des Höchsten Hand.
Wir ziehn nach Aegypten ins Wunderland.
Von Juda kommen wir fliehend her
des Herodes Grimm dort bedrückt uns schwer,
der, wie verblendet von rasender Wut,
vergoß unschuldiger Kinder Blut.
Da griff ich zu retten vom Tode das Kind
zum Wanderstabe und floh geschwind,
durch Nacht und Wüste beim Sternenschein,
bei Tag in den finsteren Wald hinein.
Nun sage, wie weit es noch ist bis zum Nil,
bis wir erreichen das Reiseziel?
Köhler:
Zwei Tagesreisen noch, wie ihr eben geht,
bis ihr an den Ufern des Stromes steht. -
Ich war einmal dort, besah mir den Lauf,
da riß ich gewaltig die Augen auf:
Die Schiffe und Städte riesengroß,
so zahlreich wie hier die Pilze im Moos!
Und selbst in der Wüste ragt Bau an Bau
und sticht mit der Spitze ins Himmelsblau.
Weiß niemand, wozu dies Berge getürmt,
Als hätten einst Riesen den Himmel gestürmt
Der Kopf mir davon ganz stille stand,
war froh, als ich wieder im Walde mich fand.
Joseph:
Wo kann ich wohl Arbeit finden dort
als Zimmerman? Weißt du einen Ort?
Köhler:
Da ist gleich am Eingang die Sonnenstadt.
Da siedle dich an! Dort wird schon Rat!
Dann such’ ich vielleicht dich einmal auf,
wenn Kohlen ich bring auf den Markt zum Verkauf.
Doch wie könnt euch finden, wer euch noch nicht kennt=
Ich weiß ja noch gar nicht, wie ihr euch nennt.
Joseph:
Ich Joseph, mein Weib ist Maria genannt,
und Jesus, das Kindlein, das Gott uns gesandt.
Köhler:
Gar schöne Namen, das muß ich gesteh’n!
O möcht aus dem Kinde ein Heiland ersteh’n!
		Stimmen von ferne: Eher sei Gott und Friede den Menschen, die gutes Willens sind!
Köhler, erstaunt:
Was sind das für Stimmen, vom Winde verweht?
Du heiliger Mann, bist du ein Prophet?
	Er kniet vor Joseph nieder.
Joseph:
Steh auf! Ich bin Mensch wie du.
Es singt wohl die Mutter das Kindlein in Ruh.
	Man hört aus der Hütte Gesang
Gesang:
Schlaf, o Kindlein, schlaf in Ruh!
Schließ die müden Aeuglein zu!
Draußen weht der Abendwind
durch die Wipfel leis und lind,
fächelt sanft dir Kühlung zu.
Schlaf, o Kindlein, schlaf in Ruh!
Schlaf, o Kindlein, gute Nacht!
Treu hält Gottes Engel Wacht.
Bist ja Gottes ew’ger Sohn,
Stiegst herab vom Himmelsthron!
Sühnen willst du unsere Schuld.
Schlaf, o Kind, in Gottes Huld!
Dismas, kommt eilend mit einem Krug Wasser, ein Körbchen Erdbeeren und ruft:
Heisa, mein Vater! Schon bin ich zurück.
So Schönes zu finden , das nenne ich Glück
Erdbeeren so taufrisch und lachend rot!
Die schmecken köstlich zu schwarzem Brot!
Doch, wo ist das Kind mit dem Haare so licht.
Die holde Frau mit dem Engelsgesicht?
	Zu Maria, die aus der Hütte tritt
O nimm diese Früchte als kleines Geschenk
für dich und das Kind und sei meiner gedenk!
Maria:
Gott lohne den Dienst dir, den du uns getan
und führe dich glücklich des Lebens Bahn! -
	prophetisch
O Gott, was seh ich? Es ragt in die Luft
ein Kreuz; eine brechende Stimme ruft
von bebenden Lippen, die todesbleich:
„Herr, meiner gedenk in deinem Reich!“
Da tönt es so himmlisch milde und rein:
„Sollst heute im Paradiese noch sein!“
Ein unsichtbarer Chor wiederholt den Schlußvers.
Elftes Bild
Nazareth
Satan, Gabriel, Jesusknabe, Maria, Joseph, Suriel, ein Pharisäer, ein Knabe, Engelchor
(Vorderbühne)
		Der Geist der Finsternis erscheint, triumphierend.

Satan:
Ich bin es zufrieden. Die Sache steht gut.
Entrann das Kind auch der Schergen Wut,
so hält doch Herodes das Land ihm versperrt,
durch seiner gewappneten Krieger Schwert. - 
	spöttisch:
Dem  hätte er wohl verdorben das Spiel
und hielte sich nicht versteckt am Nil,
wenn wirklich er hätte Wundermacht,
wie man sich das vom Messias gedacht
Doch scheint es damit recht schlecht bestellt.
Ich bleib, was ich war, der Herr der Welt!
Von dieser Seite droht keine Gefahr.
Das  ist mir nun wahrlich sonnenklar.
		Gabriel, der Erzengel erscheint
Gabriel:
Laß deinen Jubel, verruchter Geist!
Als Trug sich deine Freude erweist.
Denn wisse! Es sinkt noch in dieser Nacht
Herodes, der Würger, in Grabesnacht,
von Würmern zerfressen, er rast in Pein
und hört der gemordeten Kinder Schrei’n.
Verzweiflung hetzt ihn wir Sturmeswind.
Das ist der Lohn, dass er dir gedient!
Und noch eins vernimm“ Dein Reich, einst so stolz,
er wird zerfallen wie morsches Holz.
Nach Nazareth kehrt der Messias zurück,
und dort wird erblühen in seligem Glück
ein Eden auf Erden, ein Heiligtum,
Den Menschen zum Vorbild, dem Höchsten zum Ruhm.
Ein Strom des Segens wird gehen aus
hin über die Erde von diesem Haus.
	Satan weicht ingrimmig zurück.
Satan:
Schon wieder hat dieses Weib und dieses Kind,
durchkreuzt meine Pläne, so fein sie sind!
Doch wartet! Noch ist nicht der letzte Tag;
ich denke zu führen noch einen Schlag!
	Verschwindet.
Gabriel, ihm nachblickend:
fahre nur hin zur Höllenpein!
Gott ist der Sieger! Er spottet dein!
(Innenbühne)
Hof des Häuschens zu Nazareth. Joseph mit Zimmermansarbeiten beschäftigt. Jesus spielt, Maria am Spinnrocken singend.
Maria:
Dreh’ dich mein Rädchen, laufe geschwind
wie durch die Wipfel eilt der Wind!
Dürfen hiernieden lange nicht weilen,
müssen zur ewigen Heimat ja eilen,
wo wir in Frieden geborgen sind.
Dreh’ dich mein Rädchen, laufe geschwind
	Laufe mein Rädchen, laufe geschwind
Siehe, dort spielet das göttliche Kind.
Der ihre Bahnen weiset den Sternen
droben in lichten, himmlischen Fernen,
spielt hier als zartes, schuldloses Kind.
Laufe mein Rädchen, laufe geschwind
Maria, von der Arbeit zu dem Kinde aufschauend, das aus Hölzern ein Kreuzlein gefertigt hat:
Was bist du den so eifrig bemüht,
daß deine Wange so heiß erglüht?
Jesus, der Mutter das Kreuzchen zeigend:
Sieh’, Mutter, ein Kreuzlein hab ich gemacht,
wie oft ich es mir schon im Spiele erdacht!
Maria:
Ach, Kind, es tut mir im Herzen weh,
wenn ich mit dem Kreuze dich spielen seh’!
Dann seh’ ich daran dich hängen gleich,
gebrochenen Auges und todesbleich.
Sieh, Blumen und Sonnenschein rings um dich her,
das Kreuz ist düster und ahnungsschwer.
Jesus, begeistert:
Das Kreuz ist mein Szepter, mein Herrscherstab,
womit ich bezwinge den Tod und das Grab.
Ich seh es bei Tag, ich schau es im Traum,
den gnadenspendenen Lebensbaum.
Es schwebt wie ein Zeichen vor meinem Geist,
das mir den Weg in die Heimat weist. -
Du heiliges Kreuz, so sei gegrüßt!
Die Liebe zum Vater dich mir versüßt!
	Er küßt das Kreuzlein.
Maria, zum Himmel aufblickend:
O Gott, wenn auch bricht mein Herz darob.
Dein Wille geschehe! Dir Preis und Lob!
Du führst uns auf dunklen Pfaden zum Licht,
und stumm zu gehorchen ist unsere Pflicht.
Inzwischen ist Jesus zu Joseph getreten, der anscheinend ratlos in der Arbeit inne hält
Jesus:
Sag, Vater, was solche Sorge dir schafft:
dass dir versagt dein rüstige Kraft?
Kann ich dir helfen in deiner Not,
in deiner Sorge ums tägliche Brot?
Joseph:
Ach, Kind, ich soll hier zimmern ein Bett!
Es will nicht gelingen mir sauber und nett.
Nur Pflüge fertigte sonst meine Hand
und Joche für Tiere; da bin ich gewandt.
Ich sträubte mich wohl, doch drängte mich sehr
der Nachbar und ließ nicht von seiner Begehr
So ließ ich mich auf die Arbeit denn ein,
s’wär besser, ich hätte sie lassen sein! -
Sieh nur, zwei Bretter geraten nicht gleich!
Wie ich mich auch mühe, ich’s nicht erreich.
Jesus:
Sei ruhig, Vater und laß mich sehn
die Bretter, die nicht zueinander stehn!
Nun richte sie so mit deiner Hand,
dass sie sich gleichen am oberen Rand!
Joseph tut es, Jesus berührt mit der Hand am unteren Rande das kürzere Brett, das sogleich dem längerem gleich ist.
Jesus, segnend,
Mögst, himmlischer Friede, umschweben du
die Menschen, die drinnen sich betten zur Ruh!
Joseph:
Ein Wunder, ein Wunder ist hier getan!
Ich bete die Allmacht Gottes an.
Mein Gott, welch ein Kind ist uns beschert
Als Segen und Glück für unsern Herd!
	Betend
O Herr, mach unsere Herzen du rein,
die Hüter solch eines Kleinods zu sein.!
Jesus, feierlich
Des Vater Willen bin ich bestellt
zu wirken auf dieser Erdenwelt.
Das ist meine Wonne und meine Lust!
Und freudig schlägt mir das Herz in Brust,
wenn ich des himmlischen Vaters Macht
und Ehre den Menschen kund gemacht.
Wer kindlich beseelt ist von Glaubensgeist,
noch größere Wundermacht erweist.
Ein Glaube nur wie ein Senfkorn groß,
versetzt auch Berge in Meeres Schoß.
Doch wer sein Auge verschließt dem Licht,
ist blind bei sehendem Angesicht
und tastet im Dunkel von Ort zu Ort
und findet nimmer des Heiles Wort
Suriel, ein Pharisäer, kommt heftig und aufgeregt in den Hof.
Suriel:
Höre nur Joseph! Wer hätt’ es geglaubt,
was sich dein Sohn für Streiche erlaubt?
Den Sabbath brach er und seine Ruh
und andere Knaben verführt er dazu!
Joseph, ruhig:
Nein, sicher tat solches Jesus nicht.
Er kennt des Gesetzes strenge Pflicht
und weiß, dass Gottes heil’ges Gebot
am Sabbath jegliche Arbeit verbot.
Fürwarh, nicht Gesetzesverächter wir sind!
Und wisse, schon längst verlangte das Kind
mit uns nach der heiligen Stadt zu gehen,
um dort im Tempel zum Herrn zu flehn.
Suriel, gereizt:
Sieh’ hier den Beweis vor Augen klar
und sage mir nicht, ich spräche nicht wahr!
Da diesen Vogel geknetet aus Ton,
den fertigte gestern am Sabbath dein Sohn
und leitete auch die Gefährten an,
daß sie dasselbe ihm nachgetan.
Am Bache traf ich sie draußen am Tor.
Da nahm ich die Sabbathschänder vor!
	zornig
Was soll daraus werden, wenn jetzt sie schon
des Heiligsten spotten mit frechem Hohn?
Maria, begütigend:
Beruhige dich! Es war ja nur ein Spiel,
doch keine Arbeit mit Zweck und Ziel!
So wenig wie Blumen winden zum Kranz
und Hände sich reichen zum friedlichen Tanz!
In deinem Eifer für Gottes Gesetz
doch nie das Gebot der Liebe verletz’!
Jesus:
Ja, Gott, der im Lichte des Himmels thront
durch Liebe in unseren Herzen wohnt.
Und seine Liebe wie Sonnenschein
Leuchtet in unsere Herzen hinein,
daß alles sich helle, was finster Tag,
wie sonnengoldener Maientag
Suiel, zorning
Verweg’ner Knabe, du maßest dir an
mich zu belehren! Törichter Wahn!
Du lästert Jehova! Sein Strafgericht
ich weiß es, herein über dich not bricht!
Es wird dich zermalmen wie diesen Ton,
den hier im Grimme ich schleudere davon!
	 Er schleudert den Ton in die Luft, ein Vogel fliegt davon.
Suriel,  mit steigender Wut zu Joseph
Dein ist ein Zauberer! Gottverflucht
vollführt er Dinge, die schwarz und verrucht.
Ein böser Geist hat den Knaben erfaßt.
Hinweg aus dem Hause, das Gott verhaßt!
	Er stürmt davon
Jesus, würdevoll:
Zum Tode ist jede Pflanzung verdammt,
die nicht vom Vater im Himmel stammt!
Wo liebe nicht wärmend im Herzen strahlt,
da bleibt es finster und öde und kalt!
Maria, besorgt:
O Kind, ich bitte dich, sei auf der Hut
vor dieser finsteren Eiferer Wut!
Sie sinnen Arges und geben nicht Rast
bis sie ihr Opfer mit List erfaßt. -
	angstvoll
Ich sah dich im Traume am Kreuzesstamm
verbluten als schuldloses Opferlamm.
Sie bedeckt das Antlitz mit den Händen
Ein Knabe kommt mit einem Lämmlein auf dem Arm
Knabe:
O lieber Jesus, dies Lämmlein hier
läßt bringen durch mich meine Mutter dir.
Es soll dir ein Spielgefährte sein,
so niedlich und sanft und unschuldrein.
Komm mit, in die goldene Frühlingspracht,
die wonnig uns draußen entgegenlacht
Jesus, nimmt das Lamm in seine Arme und kniet nieder
O himmlischer Vater, wie ohne Harm
dies Lämmlein ruhet in meinem Arm,
ganz schuldlos und rein, zum Opfer breit
und deinem heiligen Dienste geweiht,
so bin auch ich, von Liebe entbrannt,
als Opfer auf diese Erde gesandt.
	inning
O nimm dieses Opfer gnädig an,
zu lösen die Menschheit vom Sündenbann!
Und hör’ aus tiefster Seele mein Fleh’n:
Dein heiliger Wille möge gescheh’n!
		Alle blicken in stummer Andacht auf das betende Jesuskind. Engel erscheinen mit Palmenzweigen und umringen Jesus. Lebendes Bild

Chor:
Sehet das Lamm, vom Sternenzelt
nahte zu tilgen die Sünde der Welt!
Wähltest, des ewigen Vaters Sohn,
dir die Hütte zum Königsthron.
Herrsche in uns du Köngskind!
Alle wir treue Schäflein sind
Laß uns in Eden, so heiß erfleht,
folgen dem Lamme wohin es geht,
prangend in Kleidern wie Schnee so weiß!
Dir, dem Lamme, sei Ehre und Preis!
Der Vorhang schließt sich


zwölftes Bild
Der zwölfjährige Jesus im Tempel
Pilger aus Nazareth, Männer, Frauen und Kinder, darunter der Weinwirt Samuel, Maria, Joseph, Jesus, ein alter Rabbi, Jehuda der Pharisäer, Schriftgelehrte, Engelchor
(Vorderbühne)
Freier, schattiger Platz, Pilger haben sich zur Mittagsrast niedergelassen, darunter der Weinwirt Samuel, ein kleiner wohlbeleibter, jovialer Mann, Frauen, Kinder
Samuel, sich den Schweiß von der Stirne trocknend:
So eine Wallfahrt ist wirklich kein Spaß!
Ich bin ganz erschöpft, von Schweiße tropfnaß,
Im Staube wandern den ganzen Tag,
da möcht’ einen treffen wahrhaftig der Schlag! - 
Zum Glück hab’ bei mir ich den Lebenssaft,
der überall Trost und Erquickung mir schafft,
	er zieht aus seinem Bündel eine Flasche hervor
Der hilft mir immer , wenn’s irgend geht fehl.
Nicht umsonst bin ich Weinwirt Samuel!
Ein Pilger:
Ei, ei, mein Freundchen! Das sieht man dir an,
du hast dir im Leben nicht weh getan!
Du sitzest viel lieber daheim auf der Bank,
kredenzest den Gästen den schäumenden Trank,
wobei du natürlich dich selbst nicht vergißt,
wie man an deinem Umfang ermißt.
So eine Wallfahrt allwöchentlich,
wär’ eine gefundene Kur für dich!
	Alle lachen
Samuel, gutmütig:
Du bist ein schlimmer Schalk, mein Sohn.
Du fügst ja zum Schaden auch noch den Hohn!-
Jetzt kommt erst das Aergste, der böse Berg!
O wär’ ich erst droben, ich armer Zwerg
Kinder:
Eine Kette wir bilden und zieh’n dich hinauf,
das gibt einen Spaß, in vollem Lauf!
Samuel,lachend:
Dann laßt ihr auf halber Höhe mich aus,
ich rolle hinunter in vollem Saus
so wie eine Kugel rundum, nicht wahr?
So habt ihr gedacht, ihr Spitzbubenschar!
Immer steckt ihr voll Uebermut,
ich Aermster bin euch dazu eben gut.
Bewegung unter den Pilgern, Maria und Joseph kommen mit ängstlicher Miene. Die Pilger umdrängen sie.
Ein Pilger:
die sind doch in Nazareth gleichfalls zu Haus.
Wie seh’n sie verstört und traurig aus!
Joseph, zu den Pilgern:
Ihr Leute von Nazareth, gebt uns Bescheid
in unserem großen Herzesleid
In Sorgen wir euch nachgeeilt sind,
Ob etwa bei euch ist unser Kind.
Ein Pilger:
Wir müssen euch leider, ihr Armen, gesteh’n
dass euer Sohn auch hier nicht zu seh’n.
	Zu den Kindern
Ihr Kinder, habt ihr vielleicht geseh’n
des Zimmermanns Sohn von Jerusalem geh’n?
Kinder:
Bei uns, den Kindern, er sicher nicht war,
als vereint durch das Tor hinauszog die Schar.
Wir sah’n ihn auch nicht auf dem Wege hierher
und glaubten, dass bei euch er wohl wär.
Maria:
Wir suchen das Kind schon zwei Tage lang
mit Herzen voll Sorge und kummerbang.
Und unsere letzte Hoffnung war,
wir würden es finden in eurer Schar! -
O sollte ihm etwas begnet sein?
Mein Gott, ich stürbe vor Herzenspein! -
Mehrere Kinder:
Ihr guten Leute, voll Mitleid wir sind.
Gern suchten mit euch wir nach eurem Kind.
Maria:
Nein, ziehet nur heim nach Nazareth
und helfet uns suchen mit eurem Gebet!
Der Kinder Gebet dringt himmelwärts
und rührt des himmlischen Vaters Herz.
Joseph:
Komm, Mutter, solang’ es noch Tag und Licht!
Der Herr wird die Seinen verlassen nicht.
	Maria und Joseph verlassen die Bühne. Die Pilger ziehen weiter
(Innenbühne)
Das Innere des Tempels. Pharisäer und Schriftgelehrte, darunter Jehuda, sitzen im Halbkreis herum, in der Mitte ein alter ehrwürdiger Rabbiner. Der Jesusknabe steht vor ihnen.
Rabbiner:
Ihr habt es selbst gehört, ihr staunt wie ich,
woher dem Knaben solche Weisheit komme,
Er sagt, er sei von Nazareth, sein Vater
sei Zimmermann, er selber ohne Schule,
Wie kann von Nazareth was gutes kommen?
Dies alte Sprichwort, hier ist’s widerlegt! -
	zu Jesus
Du hast aus Daniels prophetischen Buche
uns dargelegt, dass der Messias
bereits erschienen sei in Israel,Doch wenn dem so ist, wie geschieht es dann,
dass wir noch schmachten unter fremder Herrschaft,
dass nicht als mächt’ger Herrscher der Messias
das Sklavenjoch zerschlägt mit seiner Wunderkraft?
Jesus:
Gedenkt ihr nicht der Worte des Propheten,
dass er erniedrigt, wie ein Wurm zertreten
wird werden wegen seines Volkes Sünden,
um sie zu heilen, weil er selbst es will - ?
Sein Reich ist nicht von dieser Welt, ein Reich
der Geister wird er stiften, wo in Liebe
zu Gott und Menschen all sind verbunden,
ein Herz, ein Glaube an den gütigen Vater.
Rabbiner, aufstehend und zu dem Knaben tretend:
O Kind! Nicht von der Welt ist solche Sprache!
Bist du, o Knabe, - der Messias selbst?
	In diesem Augenblick treten Maria und Joseph in den Tempel. Sie zögern überrascht einen Augenblick, dann eilt Maria auf Jesus zu.
Maria:
Ich und dein Vater haben dich drei Tage
gesucht mit Schmerzen, und du hier?
		Jehuda, der schon vorher durch Gebärden seinen Widerspruch gezeigt, weist auf die Eltern verächtlich hin.
Jehuda, zum alten Rabbi:
Des Knaben Eltern! - Rabbi, laß uns gehen!
Seh’n die wohl wie Messias-Eltern aus?
	Zieht ihn fort, indes die anderen folgen
Jesus, zu den Eltern:
Was ist’s, weswegen ihr mich suchet?
Habt ihr denn nicht gewußt, dass ich
in dem sein muß, was meines Vaters ist?
Nicht Kummer, wahrlich wollt ich euch bereiten,
noch habt ihr mich durch eure Schuld verloren;
doch nur als Pfand bin ich euch anvertraut.
Für alle Menschen sandte mich der Vater.
Noch ist Zeit für dieses Wirken nicht gekommen;
es war ein Vorspiel nur, was ihr geschaut.
So seid getrost. Ich folge euch hinauf
nach Nazareth, ins liebe, traute Heim.
Maria:
O Kind, wenn dich nur wiederum wir haben,
ist aller Schmerz vergessen, alles Leid!
	Engel umringen die Gruppe.

Engelchor
Drei Tage inmitten der Lehrer Schar
im Tempel der Heiland verborgen war.
Drei Tage wird er auch ruhen im Grab,
vom Kreuzesstamme genommen herab.
Dann wird er. Von Todesbanden befreit,
vom Grabe erstehen in Herrlichkeit,
zu leuchten wie funkelnder Morgenstern,
o freue dich, selige Mutter des Herrn
Hauptvorhang, Ende des ersten Teils.
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II Teil
Dreizehntes Bild
Hochzeit zu Kana
Christus, Maria Bräutigam und Braut, Engelchor
(Vorderbühne)
Engel erscheinen und gruppieren sich
Engelchor:
Jubelt, ihr Himmel, und freue dich Erde!
Stimmt dem Höchsten ein Loblied an!
Sehet , es sprach der Heiland sein „Werde!“,
hat sein Wunder getan.
Jungfrau und Mutter , hochbendedeite,
golden leuchtender Morgenstern,
deinem göttlichen Sohne zur Seite
hast du dies Wunder erfleht vom Herrn
(Innenbühne)
		Hof, einzelne Bäume. Im Hintergrunde ein Haus mit einer vorne sich öffnenden Türe. Jesus und Maria treten ins Freie, geleitet von dem Brautpaar.
Bräutigam, zu beiden:
Nehmt noch einmal den Dank aus unserem Munde,
dass unser Fest ihr habt verschönern helfen
mit eurer Gegenwart, die wie der Sonne Licht
hat stillen Glanz gespendet unserm Heim!
	Zu Jesus
und dir, Prophet – denn mehr als Menschenkraft
wohnt ja in dir, mit Gottes Wundermacht
bist du begabt – ich küsse dir die Hand,
dir heute Wasser wandelte in klaren Wein
und schweren Kummers Sorge mir vom Herzen nahm,
da unsern Gästen es an Wein gebrach.-
Und nun noch eine Bitte, heil’ger Gottesmann!
Aus deinen Augen strahlt die Güte mild und licht,
und dringt wie holder Zauber in die Seele ein.
O segne uns, Prophet, die Braut und mich!
	Beide knien nieder
Jesus, die Hände über sie breitend,
Reich ruhe Gottes Segen stets auf eurem Haupte
und leite gnädig euch in Freud und Leid!
Blickt voll Vertrauen auf zum Vater droben!
Und wandert Hand in Hand zum Himmel hin!
	Sie erheben sich
Und nun zieht hin mit frohem Mut ins Leben,
das lächelnd euch von fern entgegenwinkt!
O wahrt die Herzen rein und rein die Seele,
bis sie der Herr des Lebens ruft vor sein Gericht!
Braut, zu Maria:
Auch dir sei Dank, du edle Mutter des Propheten
Ich sah es wohl, wie du den Dienern den Auftrag gabst
die Wasserkrüge in den Saal bereit zu stellen
und wie der Meister auf dein Wort das Wunder wirkte.
O segne du mich auch mit deiner Muttergüte
und leichter wird mein Fuß des Lebens Pfad beschreiten.
Maria, leg ihr die Hand auf’s Haupt:
Es sei der Herr mir dir und seine Gnade
Wohl liegen hinter dir der Jugend Rosenpfade,
das Leben schaut mit ernstem Blick dich an.
Doch bleib ein Kind – und glücklich wirst du sein
Jesus, zu Maria:
Laß uns ein wenig noch im Garten weilen!
Die klare Sommernacht haucht frische Kühle
und mild wie Balsam senkt sich in die Seele
die tiefe Stille nach dem Lärm des Festes.
Sie’ dorthin, wie des Mondes Silberlicht
durch das Gezweige rieselt, leis und rein!
Da hält die Seele Einkehr in sich selber
den Wegen Gottes sinnend nachzudenken
Maria:
Wie ernst bist du mein Sohn nach frohem Feste
und schon beim Feste selbst so ernst und still!
	Wehmütig
Und jenes Wort, das wie ein Schwert mit traf,
so rätselhaft: Was hab’ ich, Frau mit dir?
Jesus:
Du weißt es, Mutter, daß niemand auf Erden
ich mehr und inniger geliebt als dich.
Und jenes herbe Wort war nur die Warnung,
dass ich dir bin als Pfand von Gott geschenkt,
gesandt der Menschen Rettung mich zu weihen,
wenn jene Stunde käme, die der Herr bestimmt.
Wenn reif  die Frucht, dann löst sie sich vom Zweige - 
und Mutter, diese Stunde ist genaht!
Maria:
Ich weiß es wohl. Wenn auch das Mutterherz
zurückbebt vor der Trennung bittrer Stunde, 
so sag’ ich dennoch dir, geliebter Sohn:
„Geh’ hin und ziehe deinen Weg allein!“
Mit heil’ger Freude sah ich heute dich
das erste Wunder wirken bei dem Feste,
sah aller Herzen dir entgegenschlagen,
aus aller Augen leuchtend hell erstrahlen
Den Glauben, daß du uns von Gott gesandt.
Und tiefer Glaube ist das Ackerland,
darauf den Samen auszustreu’n es Zeit!
Jesus:
Wie gerne Mutter, hätt’ ich dir den Schmerz erspart!
Wie gern möcht’ ich im stillen Nazareth
im trauten Heim an deiner Seite weilen,
wo meiner Jugend Himmelsfriede blühte!
Doch anders ist es in des Vaters Rat bestimmt.
Er hat auf diese Erde mich herabgesandt
als guten Hirten der verirrten Schäflein
um sie zu führen auf den Weg des Heils.
Die frohe Botschaft zieh’ ich aus zu künden
von Gotteskindschaft und vom Reich des Herrn.
Maria:
Die Menschheit und ihr unermessenes Leid
hat größeres Recht auf dich, ich fühl’ es wohl,
und über meinem Wunsche steht des Höchsten Wille.
So gehe hin, mein Sohn ,und folge jenem Rufe,
den Gottes Geist an dich ergehen ließ!
Mag bluten auch mein Herz bei diesem Opfer,
	zum Himmel blickend
dein Wille, Herr, geschehe, nicht der meine!
Jesus:
O Mutter, dieses Wort fügt ein in deine Krone
den schönsten Edelstein, der golden strahlt.
Der Herr des Himmels, der die Lilie kleidet
und der die Vöglein nährt mit Vatergüte,
er sorgt für dich , wenn ich auch ferne bin.
Nein ferne nicht! Mein Herz bleibt stets bei dir.
Sieh ‚ auf zum Himmel, wo der Stern Leuchten
in goldner Flammenschrift und tröstlich kündet,
daß eines Vaters Güte treulich ob uns wacht!
	Sie treten auf die Vorderbühne, der Vorhang schließt sich hinter ihnen.
Christus:
Leb’ wohl o Mutter! Friede sei mit dir!
	Beide trennen sich nach verschiedenen Seiten.
Engelchor:
Sohn und Mutter ziehn geschieden
jedes die gewiesne Bahn
In der Heimat trautem Frieden
weilt die Mutter still fortan
Und der Sohn geht aus zu gründen
Gottes Reich mit Wundermacht,
frohe Botschaft zu verkünden
in der dunklen Erdennacht
Doch voll Neid schon Feinde lauern
und die Mutter sieht’s mit Schmerz;
und es geht wie Herbstesschauern
Todesahnung ihr durchs Herz.

Vierzehntes Bild
Abschied vor dem Leiden
Maria, Die Verwandten, Magdalena, Christus
(Innenbühne)
Maria:
Wohl fühl’ ich einsam mich, seitdem der Sohn
das stille Heim in Nazareth verließ,
um rastlos Judas Gaue zu durchziehn!
Gar oft denk ich der Stunden, da in Himmelsglück
uns drein ferne von der Welt erblühte.
Doch Joseph starb in Jesu Armen selig;
Doch ich weiß wohl, er muß das Amt erfüllen,
wozu der Vater ihn gesandt vom Himmel.
Einer der Verwandten:
Glaubst du so fest und sicher an dies Amt?
Wozu die neue Lehre? Das Gesetz,
das uns gegeben ward, reicht’s nicht mehr aus,
die Menschen auf den Weg des Heils zu führen?
Da Volk regt er nur auf und reizt die Wächter,
die das Gesetz mit scharfem Auge hüten.
Maria:
Ich glaub’ an seine Sendung, die durch Wunder
bestätigt ist, die alles Volk gesehn.
Und wenn er unbekümmert seine Wege geht,
ob Haß und Neid auch rings ihr Haupt erheben,
so weiß er wohl, dass seine Sache siegt!
Ein Verwandter:
Warum weist er so schnöd uns dann zurück,
wie jüngst er’s tat, du selber warst ja Zeuge -?
Was war die Antwort, da ihm unsere Ankunft
gemeldet wurde, als zum Volk er sprach?
Er hatte keine Zeit für uns, nur sagt’ er halt:
„Wer ist mir Mutter? Wer sind meine Brüder?“
Als ob er nichts mehr von uns wissen wollte!
Maria:
Nicht doch! Er wollte nur dem Volke zeigen,
dass Fleisch und Blut nicht fürder Stimmen hätten,
wo um der Seelen ewiges Heil sich’s handelt.
Drum fügt’  er bei. „Wer meine Worte hört
und sie befolgt, ist Mutter mir und Bruder“
In diesem Augenblick kommt Magdalena und wirft sich Maria zu Füßen, die Verwandten treten mißmutig und scheu zurück.
Magdalena:
O Mutter des Propheten, dir zu Füßen
sieh eine Sünderin die Leib und Seele
entweiht in böser Lust und die nach Frieden,
nach reiner Liebe heiße Sehnsucht hegt!
Versage sie mir nicht, geliebte Mutter!
Noch bin ich schwach, bedarf des Rats, der Stütze.
O leg’ ein Wort fürbittend für mich ein,
bei deinem Sohne für die Sünderin!
Maria, voll Mitleid:
Erhebe dich, o Weib und schöpfe Hoffnung!
Die Güte Gottes ist unendlich, ohne Grenzen,
wenn wir vertrauend, reuig uns ihm nah’n:
Die Verwandten sehen inzwischen verächtlich auf Magdalena und reden miteinander, Man hört Worte wie: „Die stadtbekannte Sünderin!“ Dann entfernen sie sich.
Magdalena:
Ich hab’ gehört von deines Sohnes Wunderwerken,
von seinen Worten, die des Friedens Balsam
ins wunde Herz der Menschen lindernd träufeln,
von seiner Liebe zu den reuigen Sündern:
da wagt’ eich es, dem Reinen mich zu nah’n.
Im Haus des Pharisäers, wo beim Mahle
er weilte, trat ich in die Schar der Gäste
und warf mich nieder zu des Meister Füßen,
benetzte sie mit meinen Reuetränen,
um sie mit meinen Haaren dann zu trocknen.
Und während mit Entrüstung und mit Aerger
die Pharisäer auf mich niederfah’n,
sprach er zu mir voll Milde und Erbarmen;
„O Weib dir sind vergeben deine Sünden,
Dein Glaube hat geholfen. Geh in Frieden!“
Dies Wort war Himmelslicht für meine Seele.
Maria:
O Magdalena, Großes hat der Herr
an dir getan. Bleib’ treu dem gute Hirten,
der das verirrte Schäflein heimgeführt!
Jesus kommt, Magdalena sinkt vor ihm auf die Knie. Maria umarmt den Sohn.
Maria:
Geliebter Sohn, von Herzen sei willkommen!
Dank dir, dass du der Mutter nicht vergessen,
die dich als Kind einst auf den Armen trug!
Christus:
du bist bei mir, auch wenn ich ferne bin,
geliebte Mutter, Kleinod meiner Seele!
Doch wenn ich heute komme, um mit dir
wie vordem trauter Zwiesprach still zu pflegen,
so ist’s die Liebe, die mich drängt zu dir, -
	mit ernstem Blick
Ich weiß, dein Herz ist stark im Leid, o Mutter!
So wisse denn, ich : Ich kam zum Abschiednehmen
fürs Leben – meine Todesstunde naht.
Magdalena, leidenschaftlich:
Du darfst nicht, Meister, darfst uns nicht verlassen!
Was wäre unser Leben ohne dich?
Nein, bleib bei uns, du unsrer Seele Wonne
Christus:
du weist nicht, was du sagst, Maria!
Soll ich den Willen dessen nicht erfüllen,
der mich gesandt, mein Leben hinzugeben
zur Rettung aller Seelen, auch der deinen -?
Maria, stärker als der Tod ist Liebe
und Liebe überwindet den Tod
Magdalena:
Verzeih mir das unbedachte Wort,
mein Meister! Aber lasse mich dir folgen,
dir folgen will ich, wär’s auch in Tod!
Nicht leben kann ich ohne dich, mein Heiland!
Christus:
Du sollst mir folgen auf dem Weg des Kreuzes,
doch in den Tod, Maria, gehe ich allein!
Und nun leb wohl! Verzage nicht Maria,
wenn du die Nacht siehst kommen über mich!
Es folgt der Nacht ein goldener Sonnenmorgen
	Magdalena küßt den Saum seines Gewandes.
Christus, zur Mutter tretend:
Ein letztes Lebewohl zu dir, o Mutter!
Nur eins macht mir das Scheiden schwer vom Leben,
dass ich dir, Mutter Schmerz bereiten muß!
Doch ist des Vaters Wille auch der deine
und dieser heißt nun in den Tod mich gehen.
Maria, voll Schmerz:
Mein Sohn, ist wirklich deiner Feinde Haß
so blind, dass dir, den ihnen Wundermacht
und Liebe hat als Gottessohn erwiesen,
mit solchem Undank sie die Güte lohnen.
Soll dieses Volk die Schuld auch auf sich laden,
das seinen Heiland in den Tod es stieß?
Christus:
Die Stunde kam, da Finsternis hat Macht.
Laß sie! Sie wissen ja nicht, was sie tun.
Mich aber dürstet es, bis auf die Neige
den Kelch zu trinken, der mir ist bestimmt,
um einzugehn in meine Herrlichkeit
und Schuld und Sünde von der Welt zu nehmen.
Maria,innig:
So nimm auch mich zu deinem Opfer an,
daß ich mit dir es bringe, deine Mutter!
Wie damals als der Engel zu mir kam,
dein Nahen mir zu künden sprech’ ich heute:
„Ich bin die Magd es Herrn. Dein Wille geschehe!“
Magdalena, stürmisch:
Ich bleibe nicht zurück! Ich will die Jünger,
das Volk aufrufen, das geschart um dich
sie dich erretten oder für dich sterben,
ich mitten unter ihnen, Herr und Meister!
Christus, abwehrend:
Mein Reich ist nicht von dieser Welt, Maria!
Durch Waffen nicht, es wächst du Leid und Tod.
Geh hin in Frieden und vertrau’ auf mich!
	zur Mutter:
Du aber Mutter, sei im Herzen stark!
Den Weg des Kreuzes sollst mit mir du wandeln,
mit mir dich opfern für der Menschheit Heil,
um meine Krone dann mit mir zu teilen
und meins Reiches gold’ne Herrlichkeit! - 
Nun lebe wohl, o Mutter, Gott mit dir!
Maria, unter Tränen ihn umarmend:
Mein Sohn, du Gotteskind, leb wohl!

Fünfzehntes Bild
Bethanien
Eliud, Nathan, Anhänger des Herrn, Judas, Petrus, Maria, Magdalena, Johannes, Lazarus
(Vorderbühne)
Musik, Eliud und Nathan, Anhänger des Herrn, kommen auf die Bühne von verschiedenen Richtungen
Eliud:
Was blickst du so erregt, so schreckensbleich?
Geschah ein Unglück in der heil’gen Stadt?
Nathan:
Hast du noch nicht gehört, was diese Nacht
sich in Jerusalem ereignet hat?
Den wir Messias nannten, an ihn glaubten
als Retter unsres Volkes der ist gefangen!
Eliud: erstaunt
Gefangen? Sprich, von wem, warum?
Nathan:
Nachdem das Passahmal er gestern abend
gefeiert, ging mit seinen Jüngern
hinaus zum Oelberg er, um still zu beten.
Da nahte eine Rotte sich von Häschern
mir Fackeln und mit Speeren, ihn zu greifen
Die Pharisäer hatten sie gesendet,
an die ein Jünger seinen Herrn verriet.
Eliud:
Ein Jünger, seinen Meister? Wär’s möglich?
Nathan:
Er nennt sich Judas und er war, so heißt es,
mit Geld gedungen zu dem schnöden Werk.
Eliud:
Nie wollt’ mir gefallen, mir sein scheuer Blick,
der flackernd wie ein Feuer unstät irrte.
Nathan:
Ja dieser ist’s der an der Häscher Spitze
zum Rabbi trat und einen Kuß ihm bot,
der Liebe Pfand zum Höllenwerk mißbrauchend
Eliud:
War keiner denn, der eintrat für den Meister?
Nathan:
Wohl, Petrus zog das Schwert um dreinzuschlagen,
doch hieß der Herr es in die Scheide stecken
und bot zum Fesseln seine Hände dar.
Dann schleppten sie ihn fort, hinab zu Stadt,
ihn vor dem Hohenpriester zu verhören.
Des Todes schuldig ward er, heißt’s befunden;
vom Römer nur braucht’s noch Bestätigung
Eliud:
O Gott, so schlug auch diese Hoffnung fehl!
Wenn er in Wahrheit wäre der Messias,
Dann hätt’ er durch ein Wunder sich befreit.
Leb wohl! Ich gehe nach Jerusalem,
zu seh’n wie sich die Dinge dort gestalten
Sie trennen sich
Judas, mit verstörtem Gesicht tritt auf, Er läßt sich in finsterem Brüten auf einen Stein nieder.
Judas:
Ich bin verloren, Keine Hoffnung mehr!
Den Reinsten, Heiligsten hab’ ich verraten
um schnödes Sündengeld. Ich mag’s nicht mehr.
Hinweg, verfluchtes Silber! Judaslohn!
Judas springt auf und schleudert das Geld weg. In diesem Augenblicke kommt Petrus und fährt bei seinem Anblicke zusammen
Petrus:
Du hier? -
Unsel’ger, weißt du was du angerichtet hast?
Der Meister ist zum Kreuzestod verdammt!
Er bedeckt das Gesicht mit den Händen
Judas, voll Verzweiflung:
Ich möchte aus der Brust das Herz mir reißen,
den Tag verfluchen, da zur Welt ich kam!
Verzweiflung legt wie Nacht sich auf die Seele
Petrus, ihn mitleidig anblickend:
O Judas, sieh mich an, verzweifle nicht!
	Schmerzvoll
Auch ich beging Verrat an dem Meister.
Judas, wild auflachend:
Auch du, der das Schwert für ihn gezogen?
Der helle Wahnsinn hatt’ die Welt erfaßt,
wenn auch ein Petrus seinen Herrn verrät! -
Du redest irre, Freund, in deinem Schmerz.
Ihn kann ein Judas nur verraten, höllenschwarz!
Petrus,schmerzlich bewegt:
O wär es so ! Doch komm und laß uns eilen,
uns niederwerfen vor des Meister Mutter.
Laß uns in Reue ihr die Schuld bekennen
sie ist barmherzig und ihr Wort voll Gnade
Judas, wild:
Verzeihung mir? Zum Himmel schreit um Rache
des Heiligen Blut, so wie einst Abels Blut,
als Bruderhand ihn traf, zum Himmel schrie
Petrus:
Verzweifle nicht! Euch Rettung naht bei der Mutter!
	Er sucht den Widerstreitenden mit sich zu ziehen
Judas, sich losreißend:
Ich ihr vor die Augen treten, seiner Mutter,
der ihren Sohn mit einem Kuß verriet - ?
Für mich bleibt nur der Strick – und dann die Hölle!
	Judas stürzt davon
Petrus, ihm nachsehend:
O Gott! Er findet nicht mehr nach Haus! -
Während sich Petrus abwendet, taucht Satan auf, einen Strick in der Hand, er wirft einen höhnischen Blick auf Petrus, dann eilt er dem Judas nach.
Petrus:
zur Mutter, ihr das wunde Herz zu öffnen,
dass sie es heile durch ihr Trosteswort!
(Innenbühne)
Haus des Lazarus zu Bethanien. Maria im Gespräch mit Magdalena, der Schwester des Lazarus
Maria:
Wie ist das Herz mir kummerschwer, Maria,
voll banger Ahnung ob des Sohnes Schicksal!
Der Feinde Haß kennt keine Grenze mehr,
sie rasten nicht, bis sie sein Blut gesehn. -
Du sagst, es gebe ein Gerücht, er sei
bereits gefangen. O verhehle nichts.
Magdalena:
Ein Mann kaum aus der Stadt mit dieser Kunde.
Maria:
Dann gilt kein Zögern mehr; ich muß zu ihm!
In dieser Stunde will sein Los ich teilen.
Magdalena:
Wir lassen dich im Leide nicht allein.
Mein treuer Bruder soll dir Stütze sein,
Ich rufe ihn – und ich auch zieh mit dir.
	Ab
Petrus, niedergeschlagen, stand bisher am Pfeiler gelehnt im Schatten. Als Magdalena abgegangen, wirft er sich Maria zu Füßen
Petrus:
O Mutter, sie’ mich hier zu deinen Füßen
in tiefsten Leid und bitterm Reueschmerz!
Er ist gefangen, ist zum Tod verurteilt!
Verraten hat ihn Judas seinen Feinden - 
und ich, hab dreimal ihn verleugnet.
Maria:
Dich hat der Schmerz verwirrt. O sag das nicht!
Petrus:
Im Hof des Hohenpriesters, auf die Stimme der Magd,
mit einem Schwure hab ich es beteuert,
dass ich den Menschen – meinen Meister, ach! - nicht kenne.
Ich war von Sinnes, bis ein Blick des Herrn
mir tief in meiner Seele Dunkel drang.
Nie kann ich dieses Blickes je vergessen,
so voll von Liebe und bittrem Leid. - 
Da faßte mich ein tiefer Reueschmerz,
dass ich von dannen floh – zu dir, o Mutter!
O bitte du für mich bei deinem Sohne,
dass mir Vergebung werde meiner Schuld!
Maria, zum Himmel hoch blickend:
So blieb auch dieser Schmerz dir nicht erspart,
bis auf die Hefe mußt, den Kelch du leeren,
geliebter Sohn, in dieser Leidensstunde! - 
Verzage nicht, o Jünger, er ist gütig
und keinen, der bereut, weist er zurück.
Du hast gefehlt in einer schwachen Stunde;
er ließ es zu, dass sich in Demut läutre
dein Herz. Durch Treue sühne deine Schuld!
Petrus:
Dein Wort gab mir das Leben wieder, Mutter,
mit meinem Blute will ich rein sie waschen,
die schwere Schuld, die ich auf mich geladen.
Maria:
Noch nicht ist es der Wille Gottes, Petrus!!!
	prophetisch
Doch wird die Zeit wohl kommen, auch für dich!
Johannes tritt auf
Maria, auf Johannes zueilend:
Johannes, sprich ist keine Hoffnung mehr? - 
Dein Schweigen, deine Miene, ist mir Antwort!
Mein Gott, gib mir Kraft, all dies Weh zu tragen!
Johannes:
O Mutter, fasse dich in deinem Schmerz!
Der Römer, eingeschüchtert vom Geschrei
der aufgehetzten Menge hat zum Schluß
das Todesurteil feig dem Volk bestätigt.
Sie führen ihn hinaus nach Golgatha,
ihn dort ans Kreuz zu schlagen – den Messias!
Maria ringt die Hände wortlos. Inzwischen ist Lazarus mit Magdalena hinzugetreten und hat die letzten Worte vernommen.
Lazarus:
Ihn, den Gerechten, der nur Gutes tat!
Jerusalem, sieh’ deiner Frevel Krone!
Das Maß ist voll, zum Überschäumen voll!
Magdalena:
Auf nach der sünd’gen Stadt! Und gilt’s zu sterben
für unsern Meister, wohl, ich bin bereit!
Johannes:
Geliebte Mutter, laß mich dich geleiten!
Was dieses Herz an Liebe hat, ist dein!

Sechzehntes Bild
Der Kreuzweg
Blumenstreuende Engel, Satan, Ahasver, Der Tubabläser, Der römische Hauptmann, Soldaten, die Christum und de beiden Schächer zur Kreuzigung führen. Veronika, Weinende Frauen, Maria Johannes, Magdalena, Salome, Lazarus. Volk, darunter der Pharisäer Jehuda
(Vorderbühne)
		Eine Straße in Jerusalem, menschenleer. Aus der Ferne erschallt von Zeit zu Zeit dumpfer Lärm. Zwei Engel wandern  langsam durch die Straße, Blumen streuend
Engelchor:
Macht für den Herrn den Weg bereit!
Sehet, in Schmach und Niedrigkeit
nahet er sich mit dem Kreuze beschwert.
Haupt und Glieder von Wunden verzehrt.
Für seine Liebe ward Spott und Hohn im Lohn
Volk, erwählt von des höchsten Huld,
ach wie du Undank häufest und Schuld! - 
Blumen der Lenzes, dem Tode geweiht,
grüßet den Herrn der Herrlichkeit,
wenn er erliegend der Kreuzeslast,
niedersinkt auf euch zur Rast!
		Die Engel verschwinden, die Musik dauert noch an. Satan erscheint, nur durch unheimliches Aussehen kenntlich, langsam die Straße herabschreitend.
Satan:
Will mir just noch den Weg beseh’n,
wo seine Füße zum Tode geh’n,
	Erblickt die Blumen
Blumen streute ihm hier eine Hand -
Rette ihn nicht vom Tode solch Tand!
Lange ersehnte ich diese Tag
der mir versüßt all Qual’ und Plag’,
Stacheln will ich der Juden Wut,
dass sie ihn quälen und martern aufs Blut,
ihn den Verhaßten, der meine Macht
mir hat schnöde zu Fall gebracht!
Ha, nun sieht er, wohn es bringt,
wenn man den Menschen von Liebe nur singt!
Törichter Wahn! Der Haß ist die Kraft,
die in der Welt das Große schafft!
(Innenbühne)
Der Schuster Ahasver ist mit Arbeitsgeräten vor dem Hause, ohne Satan zu gewahren und beginnt zu arbeiten
Aahsver: 
Wie sind die Straßen doch menschenleer!
Als ob ein Wunder zu sehen wär’,
laufen sie all zu des Römers Gericht,
wo man den Toren das Urteil spricht.
Der wähnte Messias der Juden zu sein
und sie von der Römer Joch zu befrei’n!
Hat nur damit, wie das immer so geht,
sich und den anderen den Kopf verdreht.
Und jetzt kommt’s Ende vom ganzen Lied -
aber gerade recht ihm geschieht!
Was bleibt er auch nicht bei Säge uns Beil
und kümmert sich viel um der Menschen Heil?
Da bin doch ich ein ganz anderer Mann,
ich schaffe, was ich nur schaffen kann,
und lasse die Flausen; die taugen nicht viel
und führen zu keinem vernünftigen Ziel.
Er fängt zu arbeiten an
Satan, näher sich ihm und klopft ihm vertraulich auf die Schultern:
Mein Freund, du gefällst mir. So ist’s recht.
Du bist verständig und rechnest nicht schlecht.
Wozu dies Grübeln, was jenseits kommt?
Verdienen, genießen: das ist’s was frommt?
Da kommt nun der Nazarener daher,
macht wirre die Köpfe mit seiner Lehr’
von Weltverachtung und nahem Gericht.
Die Narren glauben, was immer er spricht!
Du bist mir doch ein ganz anderer Mann
du schaust vernünftig den Weltlauf an,
denkst an die Erde, auf der man lebt,
nicht an den Traum, der flüchtig entschwebt.,
Hab’ nur kein Mitleid mit jenem Wicht,
Den sie jetzt führen zum Hochgericht!
Er ist ein Verführer, wahnbetört,
der Frieden und alle Ordnung stört.
Satan verschwindet
Ahasver:
Ein seltsamer Kunde dieser Gesell!
Wohin er nur entschwunden so Schnell? -
Das braucht er nicht erst mir zu sagen fürwahr!
Schon längst erkannt ich die Gefahr
und hasse den Schwätzer, den falschen Christ,
der mir in der Seele zuwider ist.
		In der Ferne wird Lärm vernehmbar, der näher kommt
Ahasver, lauscht
Es scheint, es naht sich bereits der Zug.
Bis endlich er bricht, geht zum Brunnen der Krug.
Ans Kreuz mit ihm, ans Holz der Schmach!
Dann hören sie auf ihm zu laufen nach“!
	Erneuter Lärm.
Mögen sie laufen und gaffen und schrei’n!
Ich schaffe und lasse die Narren sein.
Der Zug kommt auf die Bühne, Volk, Pharisaer, Soldaten. Der Heiland mit dem Kreuze beladen, nach ihm die beiden Schächer
Christus, vor Ahasver anhaltend:
O, einen Becher Wasser, lieber Freund,
für meine heißen Lippen! Gott wird’s lohnen.
Dismas, der gute Schächer:
Erweis ihm diesen Liebesdienst, sei gut!
Er ist gerecht und leidet ohne Schuld.
Ahasver, ergrimmt:
Hinweg von meiner Schwelle sag’ ich dir!
Du hast hier nichts zu suchen , du Verbrecher!
Er stößt den Heiland hinweg, der mit dem Kreuzte niedersinkt. Die Schergen reißen ihn empor.
Christus, Ahasver streng anblickend:
Du Unbarmherziger wirst zur Strafe wandern
unstät und ruhelos von Land zu Land!
Das Kainsmal auf der Stirne wirst du irren,
den Tod erflehen, und er flieht vor dir.
Ahasver, er stürzt verzweifelt von dannen
Wehe mir!
Soldat:
Vorwärts! Jetzt ist nicht Zeit zu prophezei’n
Dar Kreuz erwartet dich. Dort magst du reden!
Veronika, zu dem Soldaten:
Hast du ein Herz von Stein, dass du dem Dulder
die kurze Rast nicht gönnst in seiner Qual?
	Zum Heilande, ihm das Antlitz mit dem Tuche trocknend
Verschmähe nicht den kleinen Liebesdienst
den dein Magd dir bietet, Herr und Heiland!
Christus:
Hab’ Dank, o Frau, für deine Herzensgüte!
Bewahre dies und denke dieser Stunde!
Der Zug geht weiter an einer Gruppe von weinenden Frauen vorüber. Der Herr spricht, zu ihnen gewendet.
Christus:
O weint nicht um mich! Um eure Kinder,
um euer Volk vergießet eure Tränen!
Sie werden Tage sehen des Verderbens
und zu den Hügeln rufen: Fallt auf uns!
Wenn das am grünen Holz geschieht, was wird
erst an dem dürren Holze dann gescheh’n?
Bewegung unter der Menge, Einzelne Rufe: „Die Mutter!“ „Des Nazareners Mutter!“ Von der entgegengesetzten Seite nahen Maria, Johannes, Lazarus, Magdalena, Salome
Maria, dem Herren entgegeneilend:
O Sohn, so muß ich dich wiederseh’n?
Wie schneidet mir der Schmerz ins Mutterherz!
O könnt ich Linderung schaffen dir in dieser Qual.
Ich gäbe gern mein Leben dafür hin!
Christus:
O Mutter, Mutter, tröste dich in deinem Schmerz!
Des Vaters Wille ist’s und bald vollbracht.
Ich will es tragen für der Menschheit Heil.
Maria:
Ich folge dir mein Sohn, und will mir dir
das Opfer bringen, wenn das Herz aus bricht.
Magdalena:
Mein Meister
Christus zu Lazarus und seinen Begleitern:
Seit stark im Glauben, Freunde, wankt nicht,
Es geht die Nacht vorbei. Dann strahlt das Licht.
Lazarus:
Wir bleiben treu dir, Meister, bis zum Tod!
Hauptmann:
Hinweg! Zu lange währt’s schon. Macht ein Ende!
Maria
Mein Sohn! Mein Kind! O Gott, ich trag’s nicht mehr!
Sie droht zu sinken. Johannes stützt sie. Der Zug geht weiter. Der Innenvorhang schließt sich. Maria, Johannes, Veronika, Lazarus und Magdalena bleiben auf der Vorderbühne zurück. Veronika enthüllt das Schweißtuch und sieht das Antlitz des Herrn eingebrannt.
Veronika:
O Wunder, das ich schaue! Christi Antlitz!
Welch köstliches Kleinod! Seht und staunet, Freunde!
Johannes, es betrachtend:
Es ist des Meisters Dulderangesicht
	zu Maria
O sieh doch, Mutter! Fasse neuen Mut!
Ein Wunder hat der Herr gewirkt, das kündet,
das er den Tod besiegen wird im Tod
		Musik
Maria, das Bild betrachtend:
Hab Dank, geliebter Sohn, für diesen Trost!
Ich fühle mich durchströmt von neuer Kraft.
Kommt, laßt uns folgen ihm nach Golgatha!
Sie verlassen die Bühne, Die beiden Engel erscheinen wieder. Das Blut des Herrn mit Tüchern trocknend.
Engelchor:
Sei gegrüßt, du heil’ger Pfad,
den des Heilands Fuß betrat,
wo sein rosenfarbenes Blut
leuchtend wie Rubinen ruht!
Jedes Tröpflein wie ein Quell
wäscht der Menschheit Sünden hell.
Mehr als Gold und Perlen wert,
heil’ges Blut  sei fromm verehrt!

Siebzehntes Bild
Golgatha
Christus am Kreuze, Maria, Johannes, Magdalena, Lazarus, Veronika, Salome, darum gruppiert der Hautpmann, Soldaten, Volk, der Engelchor
(Vorderbühne)
Engel erscheinen, Man hört Hammerschläge
Klagechor:
Hört den grausen Hammerschlag!
Es verfinstert sich der Tag
Sonne hüllt den goldnen Schein
schaudernd in das Dunkel ein.
Weinet ob des Volkes Schuld
der die Welt in Händen trägt
ruchlos an das Kreuzholz schläft.
Die Engel verschwinden, Der Innenvorhang tut sich auf
(Innenbühne)
Der  Heiland am Kreuze. Zu den Füßen des Kreuzes Maria, Johannes, der frommen Frauen, Hauptmann, Soldaten, Volk, Chor: Stabat Mater
Christi Mutter stand in Schmerzen
bei dem Kreuz und weint von Herzen
Als ihr lieber Sohn da hing;
durch die Seele voller Trauer,
seufzend unter Todesschauer
jetzt das Schwert des Leidens ging.
Christus:
Weib, siehe deinen Sohn
Sohn, siehe deine Mutter
Johannes nimmt Maria in die Arme
Christus
Es ist vollbracht! In deine Hände, Vater
empfehl’ ich meinen Geist
Plötzlich tiefe Finsternis, Musik

Achtzehntes Bild
Grablegung
Jojada, Sadok, Naphthali, Einwohner Jerusalems, Der Hautpmann und seine Soldaten, Nikodemus, Josef von Arimathäa, Der tote Heiland, Maria, Johannes, Magdalena, Lazarus, Veronika, Salome
(Vorderbühne)
Einwohner Jerusalems eilen in Erregung über die Bühne. Zwei besprechen sich miteinander. Es herrscht Dämmerung
Jojada:
Was nur das grause Dunkel soll bedeuten,
das schon seit Stunden lastet auf der Stadt?
Unheimlich drückt es aller Seelen nieder.
Sadok:
Seitdem sie jenen an das Kreuz geschlagen,
den seine Jünger den Messias nannten,
herrscht Finsternis und will kein Ende nehmen.
Daß nur das Volk nicht Blutschuld auf sich lud!
Er war wohl ein Prophet, von Gott gesandt,
des Himmels’ Zorn droht aus dem nächt’gen Dunkel,
	hinweisend
Dort kommen sie zurück von Golgatha!
		Der Hauptmann mit Kriegsknechten zieht vorüber, in sich gekehrt
Jojada: 
Auch die sind stumm und scheinen tief bewegt
von dem, was sie gesehen und gehört
		Naphthali gesellt sich zu den beiden anderen.
Naphthali: Habt ihr die Schreckenskunde schon vernommen
von dem, was in Jerusalem geschah,
im Heiligtume selbst vor kurzer Zeit?
Jojada erregt
Was ist’s
Sadok:
Noch nicht genug der Schreckenszeichen?
Naphthali:
Der Vorhang der das Allerheiligste
vom Blick des Volkes trennt, riß jäh entzwei
Jojada:
Vor kurzem war’s, sagst du, dass es geschah?
Naphthali:
Es war die Stunde, da der Nazarener
verschied am Kreuz und jäh das Dunkel kam.
Sadok:
Ein Zeichen mehr, das er von Gott gesandt!
Naphthali:
Und Tote sah man irren durch die Straßen,
aus ihren Gräbern wunderbar erstanden - 
ein grauser Anblick, wie in Leichentücher
gehüllt gespenstisch sie durchs Dunkel huschten!
Jojada:
Laßt uns von dannen gehen! Er war gerecht
und ihn zu rächen hebt Jehova seine Hand.
Juden ab,  Josef von Arimathäa und Nikodemus kommen, denen ein Diener mit Grabtüchern folgt
Nikodemus:
Die scheinen von den Zeichen arg erschreckt,
weil so verstört und scheu in Blick und Miene!
Dies unglücksel’ge Volk hat ihn verkannt,
den die Natur als Gottessohn befundet.
Jetzt gehen sie in sich, da es zu spät!
Josef von Arimathäa:
Uns bleibt nur noch zu tun die letzte Pflicht,
ihn, der uns mehr als Freund im Leben war,
vom Kreuze abzunehmen und die Mutter
zu trösten, de den toten Sohn beweint.
Nikodemus:
Wo soll die letzte Ruhestatt er finden
der edle Dulder, der sein Blut vergoss?
Josef von Arimathäa:
In meinem Garten lies’ ich aus den Felsen
ein Grabmal bauen, mir zur letzten Rast.
Dort soll der Leichnam des Gerechten ruhn
im Schatten der Zypressen ernst und still.
Da wollen wir, die ihn geliebt, verbunden
dem hohen Meister treu Gedenken weihn
auch übers Grab hinaus für alle Zeiten!
Nikodemus:
Nun laß und eilen“ Unsre Freunde Haren.
Musik setzt ein und leitet zum Folgenden über, Lebendes Bild, Zu Füßen des Kreuzes Maria. Vor ihr ruht auf dem Boden der Leichnam des Herrn, Magdalena kniet in stummem Schmerze davor. Johannes, Lazarus und die frommen Frauen, Nikodemus und Josef von Arimathäa stehen an der Seite
Chor:
Wundenzerrissen, im Tode erbleicht,
Schauet den Sohn, überronnen von Blut,
Der mir als Kindlein im Schoße geruht
Mutter der Schmerzen, in Tränen verloren,
tot den Heiland dein Auge nun flieht,
den du im Stalle als Kindlein geboren
unter de Engel frohlockendem Lied.
Schweigenden Mundes, mit blutendem Herzen
blickst de den Sohn, den göttlichen, an
Grimm durchbohrt vom Schwerte der Schmerzen
wie dir einst Simeon kund getan

Neunzehntes Bild
Ostermorgen
Ein Salbenkrämer, Madadlena, Veronika, Salome, Satan
Gabriel, Maria, der Auferstandene, Engelchor

Der Salbenkrämer kommt mit einem Korbe voll Waren, die er auf eine Bank zurechtlegt
Salbenkrämer:
Zwar ist’s noch früh am Morgen, doch vielleicht
gitb’s schon Verdienst. Ich hab so leise Ahnung,
dass sie zum Grab des Nazareners kommen,
den ehegestern man ans Kreuz geschlagen.
Magdalena, Salome, Veronika kommen mit Gefäßen
Salbenkrämer:
Hierher, ihr Frau’n! Zum Grabe geht ihr wohl
des Nazareners, feinen Leib zu salben.
Er war ein guter Mann, der vielen half,
verdient es wahrlich, dass man sein gedenkt.
Bei mir könnt ihr die besten Salben haben,
so herrlich duftend wie ein Rosenflor.
Dazu auch Myrrhen aus Arabien,
ganz zart und fein, das Pfund für zwanzig Sefel!
Magdalena, den Preis entrichtend:
Hier hast für deine Ware du den Preis.
Ich geb ihn gern, es gilt ja für den Herrn,
da ist kein Preis zu hoch, auch der des Lebens.
Salome zu den anderen Frauen, im Gebet innehaltend:
Wer wird vom Grabe wälzen uns den Stein?
Er ist zu schwer für unsre schwache Kraft!
Magdalena:
Der Himmel wird uns gnädig Hilfe senden,
Kommt laßt uns eilen zum geliebten Meister!
Trost ist es mir, den Leichnam nur zu sehen.
O dass doch jene Hoffnung in mir lebte,
die aus der Mutter Auge leuchtend strahlt
bei allem Schmerze um des Sohnes Tod!
Ein stiller Glaube quillt aus ihrer Seele
Wie Hauch des Frühlingsmorgens licht und klar.
		Die Frauen gehen ab
Salbenkrämer: ihnen nachblickend
Da hab’ kein schlecht Geschäft ich heut’ gemacht!
	Seine Sachen zusammenpackend
Ein wenig überfordert wohl; was machts?
Die können’s leisten! Eine kenn ich wohl,
die große Sünderin von ehedem!
Die tut jetzt fromm. Warum? Das weiß ich nicht!-
Doch Geld ist Geld, woher’s auch kommen mag!
	Satan erscheint und sieht ihm zu, bis er sich entfernt hat
Satan, höhnisch
Auch einer von den meinen! Nur Geschäft,
Gewinn, Betrug, kein andrer Gedanke,
bis dann der Tod voll Hohn den Schurken angrinst!-
	Stolz
Triumph! Jetzt ist mein Sieg errungen!
Er modert nun im Grabe, und alle Hoffnung,
die sie auf ihn gesetzt als den Messias,
sie brach zusammen wie ein morscher Baum.
Es blieb nur Schutt und Asche für die Toren.
Dahin hab ich’s durch meine Witz gebracht;
die Parisäer tanzten ganz nach meiner Pfeife,
als ich sie hetzte gegen den Propheten,-
	den Frauen nachblickend
Geht ruhig nur zum Grabe hin, ihr Närrchen!
Der Leichnam schadet meinem Reich nicht mehr.
	Gabriel erscheint, grelles Licht blendet Satan, dass er zurückfährt.
Gabriel:
Du triumphierst zu früh, verworfener Geist!
Er ist erstanden aus des Grabes Nacht,
den du vernichtet glaubtest, der Messias,
siegreich bezwang er Tod und Sündenschuld – und dich!
		Man vernimmt aus der Ferne jubelnden Gesang: „Christ ist erstanden, Halleluja!“
Satan von dannen stürzend
Verflucht, verloren!
Das Spiel verloren, das gewonnen schien
(Innenbühne.)
Haus des Lazarus in Bethanien
Christus:
Der Friede sei mit dir, meine Mutter!
Maria: in die Knie sinkend
Mein und Heiland ! - Darf ich Sohn dich nennen
wie ehedem, da du ein Mensch noch warst
Christus:
Erheb’ dich Mutter! Du bleibst meine Mutter
und ich dein Sohn, wie ich vordem es war
da du mich auf den Armen trugst, ein Kind
da deine Stimme mich in Schlaf gewiegt.
Noch bin ich wahrer Mensch, wie ich gewesen,
wenn auch verklärt mein Leib die Erdenschwere
hat abgestreift und sich mit Geistesschnelle
bewegt, erhaben über Zeit und Raum
Maria:
Nicht fassen kann ich’s noch: zu mächtig stürmt
auf meine Seele ein, was ich erlebt
in dieser Stunde, die mir Himmelswonne
und Paradiesseligkeit erschloss
Christus:
O freue dich aus ganzer Seele, Mutter!
Des Todes finstre Macht ist überwunden.
Der Stunde Bann gelöst; nun schwebt Versöhnung
gleich weißer Taube ob der Erde Leid,
Des Himmels Pforte hat sich aufgetan
und Zions lichtdurchglänzter Gnadensaal
winkt allen die da guten Willens sind
Maria:
O tausend Dank dir in der Menschheit Namen
die nun erlöst in deines Blutes Quell
zum Himmel aufblickt wie des Feldes Blume,
wenn sie ein Sommerregen sanft erquickt!
Doch ich, mein Sohn was soll mit mir geschehen?
We gerne wollt ‚ ich ziehen in die Ferne,
Die frohe Botschaft allen zu verkünden,
Die dunkel in des Todes Schatten sitzen!
Doch bin ich nur ein Weib mit schwacher Kraft;
Soll drum ich müßig stehen, wenn die Ernte
der Sichel harrt und es an Schnittern fehlt?
Christus:
Mein, Mutter! Herrlich ist und groß das Amt,
das ich dir zugedacht in meinem Reiche.
Sei du der jungen Kirche Trost und Stütze,
Sei du ihr Vorbild, um mit Mutterhänden
Das zarte Reis zu heben und zu pflegen,
daß es zu Baum erstarke, den dem Sturme
Trotz bieten kann, wenn er sich brausend naht!
Und dein Gebet soll wie aus goldner Schale
Ein Weihrauchopfer auf zum Himmel steigen,
daß Gottes Gnade niedertaue auf die Jünger,
wenn sie für Gottes Sache streiten, leiden , -
Und wenn ich einst nach diesen Erdentagen
dich selber rufe zu des Himmels Krone,
dann sollst auch dort Fürsprecherin du sein
für deine Kinder an dem Gnadenthrone!
Maria:
Hab Dank mein Sohn, für diese Trostesworte,
die mir wie Balsam in die Seele träufeln!
Für deine Sache wirken, für sie beten
Soll fortan meines Lebens Wonne sein,
bis jene heißersehnte Stunde naht.
Die mich mit dir soll immerdar vereinen.
Christus:
Leb wohl Mutter! Friede sei mit dir
Er verschwindet
Maria: mit ausgebreiteten Armen zum Himmel blickend:
Wie strömt die Seele über mir von Dank,
du güt’ger Vater überm Sternenzelt!
Und wie ich einst gesprochen in der Stunde,
da ich das Gotteskind empfing vom Himmel,
so ruf ich heute aus des Herzens Grunde:
Sieh‘ deine Magd, o Herr! An mir geschehe
Nach deinem Worte heut und immer! Amen!
	Ein Engelchor erscheint und Umringt Maria unter Gesang
Engelchor:
Freu‘ dich o Himmelskönigin,
bei Gott der Menschen Mittlerin!
Den du gebarst, des Heiles Wort,
erstand vom Grab nach seinem Wort,
O freue dich, himmlische Königin!
Nimm unsere Huldigung gnädig hin!
Halleluja