Wenn Südtiroler im Kröning heiraten

Gemeindeakten geben Auskunft über Handelswege – Buch zur neuen Sonderausstellung

 
Vilsbiburg. Vom 6. Mai 1891 an werden die Leute in der Gemeinde Jesendorf über eine bevorstehende Eheschließung informiert. Das wäre für sich allein auch nach mehr als 120 Jahren nicht weiter erwähnenswert, gäbe es da nicht aufschlussreiche Hinweise auf die Heimatorte der Heiratswilligen. Alois Grumser stammt aus Laatsch in der Bezirkshauptmannschaft Meran und seine Auserwählte, Therese Steindl, aus dem oberpfälzischen Ort Eitlbrunn in der Nähe von Regenstauf. Beide geben ihre Berufe mit Geschirrhändler bzw. Geschirrfahrerin an und halten sich zum damaligen Zeitpunkt in Bödldorf in der heutigen Gemeine Kröning auf. Dem jungen Glück ist allerdings keine lange Dauer beschieden. Bereits im Oktober 1892 stirbt Alois Grumser mit nur 44 Jahren in Murnau. Der oberbayerische Ort ist eine typische Durchgangsstation der Landfahrer aus dem Vintschgau bei ihren Pendelfahrten in das niederbayerische Hügelland.

Schlaglichter des Lebens

Dieser kleine Ausschnitt aus dem persönlichen Lebensweg zweier Menschen wirft ein Schlaglicht auf die internationale Verbreitung der Kröninger Hafnerware. Diese und viele andere neu erforschte Fakten sind in dem neuen Buch zusammengetragen, das vom Heimatverein zur Sonderausstellung "Handel mit Hafnergeschirr aus dem Kröning und von der Bina – von der Oberpfalz bis Südtirol, von Augsburg bis Linz" vorgestellt hat. Damit hat die Reihe der Vilsbiburger Museumsschriften nunmehr ihren fünfzehnten Band erreicht. Die Metropolen Augsburg und Linz im Titel stehen für die am weitesten entfernten Städte jeweils im Westen und im Osten, in denen die Hafnermeister auf den Märkten ihre Erzeugnisse feilbieten. Dieses enorme Verbreitungsgebiet ist Folge der hohen Produktionszahlen in den rund 130 Werkstätten auf dem Kröning und an der Bina. Die Masse des Geschirrs geht weit über den Bedarf der engeren Heimat hinaus und muss daher in weit entfernte Regionen transportiert werden.

 

Der Vilsbiburger Museumsleiter und Keramikforscher Lambert Grasmann geht mit dieser Veröffentlichung noch einmal über sein vor vier Jahren erschienenes Standartwerk zur Hafnerei auf dem Kröning und an der Bina hinaus. So beschreibt er beispielsweise die bürokratischen Hemmnisse, denen sich die auswärtigen Händler beugen mussten und die auch den Hafnern in den zahlreichen Marktorten begegneten. Dass aber immer wieder dagegen verstoßen wird und es dann empfindliche Strafen setzt, versteht sich von selbst. Dies sind die kämpferischen Methoden, wie sich auch die Hafner in der Haupt- und Residenzstadt München der übermächtigen Konkurrenz aus Niederbayern zu erwehren suchen. Dennoch findet das Kröninger Hafnergeschirr (so ein weiterer Beitrag in dem Buch) regelmäßig auch den Weg in die kurfürstliche Hofküche und wohl über diesen Umweg in die Bilder des kurbayerischen Hofmalers Peter Jakob Horemans.

 

Wenn die Binataler Hafner auf große Fahrt gehen, beispielsweise nach Salzburg oder Tirol, stellen sich unter den Schutz der Muttergottes von Angerbach. In den dortigen Mirakelbüchern finden sich allein mehr als 125 Einträge, die sich auf Unfälle, plötzlich auftretende Krankheiten oder sonstige markante Ereignisse auf den Reisen der Meister beziehen. Weil die niedergeschriebenen Gebetserhörungen wichtige Auskünfte über die zurückgelegten Strecken und die Transportmittel geben, hat Lambert Grasmann eine Auswahl dieser Zeugnisse neu zusammengestellt. Verschwiegen werden aber auch nicht die eher dunklen Seiten des ländlichen Gewerbes. Da ist an erster Stelle die Berufskrankheit der Hafner zu nennen. Der Keramikforscher hat dazu die Ordinationsbögen des Vilsbiburger Krankenhauses aus vier Jahrzehnten ausgewertet und listet daraus fast 400 in Hafnerwerkstätten tätige Personen auf, die vielfach mit der Diagnose "Bleivergiftung" oder "Bleikolik" eingetragen sind. Aber es sind auch noch andere Ursachen, die schließlich anfangs des 20. Jahrhunderts zum Niedergang des Handwerks führen. Auch diese sind in dem Buch beschrieben.

Erfolglose Bemühungen
 
Eine Familie, die sich mit dieser negativen Entwicklung nicht abfinden wollte, lebt und arbeitet damals im Anwesen beim "Uiderl" in Bödldorf. Die letztlich erfolglosen Bemühungen zu einem gemeinsamen Handeln der Meister, die von der Familie Zettl maßgeblich mitgetragen werden, werden detailliert sichtbar gemacht. Peter Käser steuert noch das Bild des markanten Hafnerdorfes Bödldorf im Spiegel des Urkatasters von 1843 und den Kataster-Umschreibheften des 19. Jahrhunderts bei. In Vilsbiburg war man nicht nur auf die Geschirrlieferungen aus dem Kröning und von der Bina angewiesen, hatte man doch eigene Werkstätten, beispielsweise die im heutigen Anwesen Obere Stadt 33. Cornelia Renner rundet die Publikation mit einer Auflistung des aus dem 17. Jahrhundert stammenden Geschirr- und Kachelmodelfund aus dem späteren Neuhoferhaus ab.

 

So ist dem Heimatverein eine ideale Ergänzung zu dem erst wenige Jahre alten Buch vom Lambert Grasmann und vieler anderer Veröffentlichungen zu einem Handwerk gelungen, dessen Bedeutung heute nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

 

Info:

Der Band 15 der Vilsbiburger Museumsschriften "Handel mit Hafnergeschirr aus dem Kröning und von der Bina – von der Oberpfalz bis Südtirol, von Augsburg bis Linz" (ISBN 978-3-9816382-0-2) umfasst 229 Seiten und enthält mehr als 200  zum größten Teil farbige Abbildungen. Das Buch ist zum Preis von 16,80 Euro im Buchhandel, an der Museumskasse und im Büchershop auf der Internetseite www.museum-vilsbiburg.de erhältlich.

 

 

 

Das Gemälde „Kaffeetrinkerin“ von Peter Jakob Horemanns aus dem Jahr 1765 mit Kröninger Hafnerware auf dem offenen Herd prägt den Titel der neuesten Museumsschrift.