Was machte eigentlich ein Zeugschmied?



In der vielfältigen Palette alter Berufe der historischen Stadt gab es einst Handwerker deren Namen man heute kaum noch kennt. Folglich kann auch fast niemand mehr sagen, welche Produkte man beispielsweise bei einem Zeugschmied erwerben konnte und zu welchem Zweck sie gebraucht wurden. Die Sonderschau informiert auch deshalb über fast vergessene Berufe, um damit die ständigen Veränderungen im wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Leben der früheren Stadt deutlich zu machen. Nach eigenem Bekunden war sogar ein Volkskundler lange Zeit ratlos, was wohl mit einem etwas eigenartigen Werkzeug in seinem Fundus anzufangen wäre – bis er die neue Sonderausstellung des Heimatmuseums Vilsbiburg kam. Da sah er das Erzeugnis eines hiesigen Zeugschmieds und erhielt von Museumsleiter Lambert Grasmann auch gleich die Erläuterung über dessen Gebrauch.
Als Beispiel dafür dient das Handwerk des Zeugschmieds, der im Gegensatz zum Huf- oder Kunstschmied Werkzeuge für den täglichen Gebrauch herstellte. In manchen Gegenden wurde er auch Zirkel- oder Kleinschmied genannt. In dieser Werkstatt oder im angegliederten Laden versorgten sich die Leute mit Hacken, Spaltwerkzeugen und Spezialmessern – ab und zu aber auch mit kuriosen Dingen wie einem Schnepper. Ein solches Werkzeug benutzte man um Tiere, insbesondere Pferde, zur Ader zu lassen. Das Gerät besteht aus einem Messinggehäuse mit einem innen liegenden, versenkbaren Messer, auch Lanzette genannt. Dieses wurde mit einer Feder gespannt und schnellte nach Aufsetzen auf die Haut nach einem Knopfdruck aus der Kapsel. Die ersten Schröpfschnepper, in Niederbayern landläufig auch ?Flurl? genannt, wurden im 15. Jahrhundert entwickelt. Damit sollte das Anritzen der Haut zum Aderlass schmerzfreier und präziser durchgeführt werden. Ihre weiteste Verbreitung erfuhren diese Werkzeuge im 19. Jahrhundert. Heute werden sie kaum noch verwendet, weil durch den innen liegenden Mechanismus leicht Krankheitskeime übertragen werden können. Beim menschlichen Patienten verwendete der Bader hauptsächlich ein speziell geformtes Messer, das auch als Fliete bezeichnet wurde. All diese Instrumente gerieten in Vergessenheit weil der Aderlass in der heutigen Medizin kaum mehr eine Rolle spielt.
Mensch oder Tier dadurch zu heilen, dass man ihm oft erhebliche Mengen Blut entnahm war seit der Antike eine gängige Behandlungspraxis. Auch Hildegard von Bingen plädierte dafür, den Patienten durch Entnahme von "schlechtem Blut" von Giften, krank machenden Schlacken und Fäulnisstoffen zu befreien. Nicht selten erwies sich der Aderlass jedoch als kontraproduktiv weil der Patient mit unklarem Befund körperlich nur noch weiter geschwächt wurde. In früheren Jahrhunderten hatte der Januar übrigens den Beinamen "Lassmonat". Die Bader waren nämlich der Ansicht, der Jahresbeginn sei der geeignete Zeitpunkt, Mensch oder Tier zur Ader zu lassen.
Eine sehr bekannte Werkstatt eine Zeugschmieds war lange Zeit bei Georg Kopp in der Unteren Stadt zu finden. Als Zirkel, Bohrer, Hämmer, Meißel, Zangen, Beile und eben die Schnepper nicht mehr so gefragt waren, orientierte sich der Nachfolger Karl Kopp zum Schlosser um. Seit einigen Jahren sind die Werkstatt und das angegliederte Ladengeschäft allerdings geschlossen. So kann auch das Beispiel des Zeugschmieds sehr viel über den stetigen Wandel im Alltag einer kleinen Stadt und ihres ländlichen Umlandes erzählen.

Ein beeindruckendes Porträt des Zeugschmieds Georg Kopp aus der Zeit um 1900. Die Aufnahme des Hoffotografen Otto Reitmayer dürfte während eines Schützenfestes in München entstanden sein, an dem die Mitglieder der Königlich Privilegierten Schützengesellschaft Vilsbiburg regelmäßig teilnahmen.
Besonders elegant formte Georg Kopp in der 2. Hälfte des 19 Jahrhunderts diesen Schnepper. Er wurde den Pferden an den Hals gesetzt und ritzte durch Hebeldruck die Ader.