„Ist Urban rein, segnet er die Fässer ein“

Schäffler gehören zu den ältesten Berufen – Beim Volksfest aber entbehrlich

Vor einigen Jahrzehnten ging ein Aufschrei durch die Gemeinde der Vilsbiburger Bierliebhaber. Grund des Ärgernisses war das Volksfest und selbiges fand damals noch rund um die weiß gestrichene Halle mit der ?Polster-Säule? in zentraler Position statt. Das beliebte Festbier kam aus der Aktienbrauerei und die Brauburschen rollten es in großen Holzfässern an die Schenke. Doch dann hatte jemand eine revolutionäre Idee: Wir brauchen doch diese altertümlichen Banzen nicht mehr. Sie sind so aufwändig beim Befüllen, Transportieren und Entleeren. Wir bringen den Gerstensaft künftig in einem schicken Container aus Aluminium an den Biertempel und dann kann das edle Gesöff bei konstanter Temperatur mittels einer Leitung direkt in die Maßkrüge fließen.

?Ja, wo kommen wir denn dahin?, empörte sich das Volk, ?wenn das Festbier nicht mehr aus dem handwerklich hergestellten Holzfass gezapft wird, sondern aus einer industriell gefertigten Blechbüchse!? Gelte denn das Althergebrachte, Traditionelle bei unseren Festen überhaupt nichts mehr? Dann sollten sie doch gleich vom Tank durch die ganze Halle zu jedem Platz Leitungen legen, damit sich jeder Gast über eine Art Wasseruhr sein Festbier selbst in den Krug füllen könne. Und so wären auch gleich noch die Schenkkellner und die feschen Kellnerinnen einzusparen. Dann fände eben ein Selbstbedienungsvolksfest statt!

Zugegeben: Am Ende sind die Phantasien doch etwas ins Kraut geschossen. Aber im Kern drückte die Kritik doch ein erhebliches Unbehagen aus über die Tatsache, dass wieder ein Stück von dem bisher so Vertrauten verschwindet, sich industrielle Produkte schon bei den Traditionsfesten breitmachen. Wenn die manuelle Arbeit wieder ein Stück aus dem Leben gedrängt wird, in diesem Fall das alte Handwerk der Binder.

Fassmacher seit Christi Geburt

Dabei gehört diese Tätigkeit zu den klassischen Berufen überhaupt. Bereits im 1. Jahrhundert sind Fassmacher in Gallien bekannt. Aus dieser Provinz verschickten die Römer den Wein überwiegend in Holzfässern. Aus Dauben zusammen gefügte Gefäße wurden damals auch bereits zur Bevorratung von Lebensmitteln verwendet. Wohl kaum ein Handwerk war so weit verbreitet und hatte solch unterschiedliche Bezeichnungen. In Bayern kannte man den Beruf des Binders oder des Schäfflers, abgeleitet vom Fassbinder beziehungsweise vom Schaff. In anderen Gegenden nannte man sie Böttcher, Küfer, Kübler, Tonnenmacher, Schedler oder Simmermacher. Die beiden letzteren Benennungen sind von alten regionalen Hohlmaßen aus dem alemannischen und hessischen Raum abgeleitet.

Die Herstellung erfolgte über Jahrhunderte hinweg rein handwerklich. Längshölzer, meist von Eichen, Akazien oder Robinien stammend, wurden mit eisernen Reifen zusammengehalten. Um den Verlust von Kohlensäure zu vermeiden wurden Bierfässer mit Pech ausgegossen. Die Walzenform des geschlossenen Fasses erlaubte ein leichtes Rollen von Hand. Der Behälter war auch meist leicht gebaucht und so konnte man mit ihm mühelos die Richtung verändern.

Der Binder Seidl in Vilsbiburg

In Vilsbiburg gab es über viele Jahre in der Seyboldsdorfer Straße 4 die Binderwerkstatt der Familie Seidl. Der Ort mit seinen zahlreichen Brauereien konnte einen Handwerksbetrieb dieser Art gut ernähren. Als die Haslbeck?sche Brauerei mit der Brauerei Urban und den Sudhäusern aus Eberspoint und Seyboldsdorf zur Aktien-Brauerei fusionierte, gab es für die Vilsbiburger Binder sicher einen größeren Auftrag. Aber auch die Gerber in der Umgebung waren zuverlässige Kunden. Daneben wurden noch Kraut- und Odelfässer, Blumenkübel, Badewannen, Butter- und Weinfässer hergestellt. Noch nach dem II. Weltkrieg stellte der Handwerksbetrieb anlässlich eines Dionysimarktes in der Gewerbehalle seine umfangreiche Produktpalette aus.

Die gute oder weniger gute Füllung der Fässer im Herbst soll sich nach einer alten Bauernregel am Urbanitag, dem 25. Mai aufweisen. Ist dieser Lostag ?hell und rein segnet St. Urban die Fässer ein?. Auch eine andere Redewendung ist an die früher so wichtigen hölzernen Behälter angelehnt. Ist das Fass nicht genau gearbeitet oder durch langen Gebrauch verschlissen, gerät es ?außer Rand und Band?. Es ist zu hoffen, dass dies nicht für das Volksfest 2015 zutrifft, sondern eine friedliche und harmonische ?Wiesn? bevorsteht, auch wenn der Hopfentee schon seit Langem aus einem Aluminiumtank kommt.

Ein übermannsgroßes Gerberfass wird gerade im Hof der Binderei Seidl in der Seyboldsdorfer Straße 4 fertiggestellt. Grund genug für Andreas Seidl (2. von rechts) einen Fotografen zu bestellen.

 

Noch nach dem II. Weltkrieg war die Produktpalette der Binderei Seidl beachtlich. Bei der Ausstellung am Dionysimarkt 1950 bezeichnet Anton Seidl seinen Betrieb allerdings als Schäfflerei. (Fotos: Archiv Heimatmuseum Vilsbiburg)