Eröffnung der Sonderausstellung ? Einführung

?Mitten im Krieg – Der Weltkrieg 1914/18 und seine regionalen Auswirkungen? vom 18. Juni 2016 bis 19. März 2017

In vielen Museen der Bundesrepublik hat man Sonderausstellungen zum Beginn des I. Weltkriegs 1914 veranstaltet.
Unseres Wissens wurden in der Stadt Landshut und in den Museen um Landshut zum Ereignis des I. Weltkriegs 1914/18 keine Ausstellungen durchgeführt. Wogegen in Mühldorf und dort in verschiedenen Landkreisorten Sonderschauen zu diesem Thema abgehalten wurden.
Unser Museum hat sich mit seiner Sonderausstellung bewusst erst 2016 in die Reihe der Veranstalter eingefügt, um nicht in der Menge gleichartiger Veranstaltungen unterzugehen.
Es wurde Wert darauf gelegt, vor allem den regionalen Raum abzudecken. Dabei kann das Archiv des Heimatvereins auf frühzeitig, das heißt zu den Ereignissen zeitnah gesammelte Dokumente und Fotografien zurückgreifen. Vor allem der Wachszieher und Lebzelter Christoph Lechner hat mit seiner viele Gebiete umfassenden Sammelleidenschaft gesammelt und als zeitweiliger Museumsleiter archiviert. Zur gleichen Zeit hat Pfarrer Bartholomäus Spirkner als Bücherwart des Heimatvereins mit der gleichen Zielrichtung Material zusammen getragen.
So ist eine Ausstellung entstanden, die, wie sie sehen werden, in den sieben Vitrinen eine Fülle von Material zeigt.
Hier einige Schwerpunkte, die mit aussagekräftigen Objekten belegt werden können.

In der ersten Vitrine wird der Beginn des I. Weltkriegs mit den Ereignissen von Sarajewo und die Mobilmachung beleuchtet. Einen Schwerpunkt bildet die Aktion zu den Kriegsanleihen, mit der man zum großen Teil den Krieg finanzierte und von denen bis zum Ende des Weltkriegs neun an der Zahl aufgelegt wurden. Mit dem Schlagwort ?Gold gab ich für Eisen?, hat man den Leuten Edelmetall abgeluchst und dies im Gegenzug mit der Gabe von Eisenschmuck und eisernen  Medaillen als patriotische Leistung gewürdigt. Auf den Kriegseinsatz und das Verhalten mit gelandeten und Depeschen versehene Brieftauben hat Bürgermeister Winkler von Vilsbiburg bereits 1913 und dann noch mal 1914 verwiesen.

Den Soldaten an der Front ist eine weitere Vitrine gewidmet. Eine Figurine in blauer Uniform dokumentiert den Waffenrock der bayerischen Armee bis 1915, der dann vom allgemeinen Feldgrau abgelöst wurde. Dazu Ausrüstungsgegenstände eines Soldaten.
Durch eine Schenkung erhielt das Heimatmuseum von dem Leutnant Joseph Wirtensohn die Pickelhaube und Auszeichnungen aus dem I. Weltkrieg. Wirthensohn war Teilnehmer an der Somme-Schlacht in Frankreich und hat seine schlimmen Erlebnisse vom Juli 1916 aufgezeichnet. Von 1928 bis 1934 leitete er In Leberskirchen die einklassige Volksschule.
Als eine besondere Rarität kann ein Fotoalbum unseres Sollinger Fotografen Sebastian Alt bezeichnet werden, in dem er über 985 von ihm fotografierte und auch personalisierte Soldatenporträts eingefügt hat. Ein ansehnlicher Teil der Porträts fand dann allerdings für den Druck von Sterbebildern Verwendung, die in einer eigenen Tischvitrine gezeigt werden.

Vom Vilsbiburger Rechtsanwalt Dr. Otto Marquard (1882-1965) haben sich über 200 Glasplatten-Negative erhalten, die er 1915 im belgisch-französischen Kriegsschauplatz gefertigt hat. Einige Beispiele der inzwischen digitalisierten Aufnahmen zeigen aus dem Kriegsgebiet Zerstörungen, französische Kriegsgefangene, belgische und französische Ortsansichten, das Soldatenleben in der Etappe und in Schützengräben und anderes.
Eine Vitrine ist Kriegsgefangenen beider Kriegsparteien allgemein gewidmet, wobei der Fotograf Sebastian Alt wiederum wichtige Fotodokumente der Nachwelt überliefert hat. So hat er französische und russische Krieggefangene in den Lagern Binabiburg und Johannesbrunn abgelichtet und in einem eigenen Fotoalbum dokumentiert. Einige Aufnahme von ihm sind auch vom Gefangenenlager Kollmannsberg überliefert, in dem Franzosen, die den so genannten Flutkanal der Vils bauten, untergebracht waren.
Ein besonderes Einzelschicksal mit Originaldokumenten und fotografischen Aufnahmen kann vom Kröninger Hafnergesellen aus Jesendorf Georg Eder (1895-1964) dokumentiert werden. Nach durch Flammenwerfer erlittenen Verletzungen im Gesicht und an den Händen, wobei er auch beide Ohrmuscheln verlor, geriet er noch 1918 in französische Gefangenschaft. Im Hospital und Lager in Montauban im Departement Tarn et Garonne in Südfrankreich, wo sich bis zu 1500 deutsche Kriegsgefangene befanden, verbrachte er die Zeit bis zum Frühjahr 1919. Dokumentiert von ihm sind eine 1920 ergangene Aufforderung zu einem Arbeitsversuch in einer Passauer Porzellanfabrik und der Besuch der Oberbayerischen Invalidenschule in München im Jahr 1921.
Feldpostbriefe, Feldpostkarten und Feldpostpäckchen bezeugen die wichtige Verbindung zwischen den Soldaten und der Heimat. Der Lebzelter Christoph Lechner nimmt hier wieder eine Sonderstellung ein. Erhalten ist eine große Zahl von an ihn gerichteten Feldpostkarten und ?briefen, von in Vilsbiburg beheimateten Soldaten, denen er immer wieder kleine Päckchen zukommen ließ.
In der Vitrine finden sich auch Orden und Auszeichnungen mit den zugehörigen Besitzzeugnissen, wobei jetzt ein an den Vilsbiburger Feldwebel Anton Feistle vom türkischen Kriegsminister Enver Pascha 1917 verliehener Orden besondere aktuelle Bedeutung erlangt hat.     

Die so genannte Heimatvitrine zeigt allseits beliebte, von der Feldpost beförderte Witz- und Kitschpostkarten, die von Sammlern aus der Zeit in Alben eingeheftet wurden.
Der Begriff ?Patriotische Grabenkunst? dürfte weniger bekannt sein. Gemeint sind zum Beispiel von Soldaten im Schützengraben aus Geschoßhülsen oder Patronenteilen, auch Granatsplittern gefertigte Gegenstände, die dann Andenkencharakter erhielten. Gezeigt werden aber auch von der Andenken-Industrie gefertigte Objekte wie Krüge, Tassen mit den Porträts von Mitgliedern des Adels sowie Nippesfiguren, dann Zinnfiguren und Fotografien, die Vilsbiburger Kinder beim Kriegsspiel zeigen.
Wenig bekannt dürfte sein, dass in Vilsbiburg zwei vom Frauenverein vom Roten Kreuz betreute Lazarette existierten, so im Distriktskrankenhaus an der Oberen Stadt und im Sitzungssaal des Bezirksamtes (Landratsamt) am Stadtplatz, wobei 742 verwundete Soldaten vom November 1914 bis Ende 1918 gepflegt wurden. Vom Fotografen Sebastian Alt können wiederum zahlreiche Fotos gezeigt werden. Hart vom Schicksal getroffen wurden Familien, bei denen manchmal Väter und gleich mehrere Söhne aus einer Familie im Krieg gefallen sind, so die drei Brüder Reithmeier von Meiselsöd, fünf Brüder Erber aus Niederaichbach, drei Brüder Baumgartner aus Hub bei Binabiburg, vier Brüder aus Geiselsdorf in der Gemeinde Kröning. Dabei sind von Sebastian Alt Fotomontagen entstanden, bei denen er in Familienfotos den gefallenen Vater oder Sohn einmontiert hat.

Der Abschluss der Ausstellung ist dem Ende und den Folgen des 1. Weltkriegs gewidmet.
Heimkehrerfeiern in den Gemeinden und die Errichtung von Kriegerdenkmälern prägen so die Nachkriegsmonate. Doch auch durch den Krieg entstandenen Notsituationen in der Bevölkerung wie die anschließende Inflationszeit mit der galoppierenden Geldentwertung, der Zwangsbewirtschaftung von Dingen des täglichen Bedarfs mit der daraus resultierenden Lebensmittel- und Brennstoffrationierung und den verausgabten Lebensmittelmarken, wird in der Ausstellung Rechnung getragen. Metallknappheit, die sich sogar auf die dann eingezogenen Münzen in Kupfer und Silber auswirkte und dafür solche in Eisen und Zink entstehen ließen, prägten diese Zeit. Und als Ersatzmünzen stellte die Staatliche Porzellanmanufaktur Meißen solche in den Materialien aus Böttger-Steinzeug und Porzellan her. Beispiele dazu sind in der Ausstellung dokumentiert.

Es konnten hier nur einige wenige besondere Objekte angerissen werden, um einen Einstieg in die Ausstellung zu erleichtern. Die Objekte sind gut beschriftet, nehmen Sie die Zeit, es lohnt sich.
Lambert Grasmann