Auch der arme Poet besaß das Geschirr
Kröninger Hafnerware in München stark verbreitet ? Sonderschau geht zu Ende
Vilsbiburg. Man muss sich die Mengen bildlich vorstellen: Im 18. Jahrhundert ziehen zu den zahlreichen Jahrmärkten in München, beispielsweise zur Winterdult, zur Jakobidult am letzten Sonntag im Juli oder zu den Märkten in der Au insgesamt mehr als 40 schwer beladene Frühwerke aus Niederbayern in die Haupt- und Residenzstadt. Jeder dieser ?Greinzenwagen? wiegt rund 120 Zentner und ist mit gut 1.400 Stück Geschirr beladen. Zusammengenommen wird München, wo zu dieser Zeit rund 32.000 Einwohnern leben, somit Jahr für Jahr von mehr als 60.000 Geschirrteilen geradezu überschwemmt. Verständlicherweise machen sich bei den acht Münchner Hafnern angesichts dieser Konkurrenz arge Existenzängste breit. Und so kommt es immer wieder zu teilweise bizarren Streitereien, die sich hauptsächlich um die so genannten ?Naigen? drehen, was sich auf den Rest des nicht verkauften Geschirrs bezieht.
Die Kröninger Hafner haben verständlicherweise wenig Interesse, diese Überbleibsel wieder mit nach Hause zu nehmen und so werden sie oftmals an Personen abgegeben, die das Geschirr unter der Hand weiter verkaufen. Ein altes Schriftstück spricht in diesem Zusammenhang von bis dahin ?toleriert geweßenen Weibern? und ?Kauderei?, womit diese Resteverwertung gemeint ist. Die Meister aus dem niederbayerischen Hügelland und von der Bina halten aber selbstbewusst dagegen. Sie nähmen den weiten Weg nach München unter höchster Gefahr und mit nicht geringen Kosten auf sich und seien darauf angewiesen, möglichst viel Geschirr abzusetzen. Sollte dies nicht mehr möglich sein, müssten sie die Münchner Märkte meiden. Dann aber entstünde der Bürgerschaft in der Hauptstadt ein großer Nachteil; denn sie müsste sich allein bei den Münchner Hafnern versorgen, die jedoch nicht in der Lage wären, Geschirr in der Güte zu fertigten wie die Kröninger.
Lieferung an die Hofküche
Doch München wird kein mit Hausrat unterversorgtes Notstandsgebiet. Die Fahrten der Hafner zu den Märkten gehen weiter und damit auch die Konflikte. Insgesamt liefern die Kröninger Hafner über Jahrhunderte hinweg auch erhebliche Mengen an die kurfürstliche Hofküche. Die Mengen bewegen sich laut alter Rechnungen in Größenordnungen von 1.000 bis 3.300 Teilen pro Jahr. Diese enormen Geschirrmengen gehen natürlich nicht allein in der Hofküche zu Bruch. Es ist bekannt, dass bei den Armenspeisungen das Essen samt Schüssel oder Teller an die Bedürftigen ausgegeben wird. Eine für den öffentlichen Dienst sehr umstrittene Gepflogenheit hat sich indes bei den Bediensteten des kurfürstlichen Hofes eingebürgert. Sie erwerben nach eigenen Angaben ?seit uralten Zeiten? bei den Kröninger Hafnern auf den Märkten in größerer Menge Geschirr und verkaufen dies an ?Schissl-Trager? und andere Händler, manches Mal sogar an die ?Soltatesca?, also das Militär. Als diese Praxis vom Hof-Oberrichteramt unterbunden wird, zeigt sich erst das Ausmaß der fragwürdigen Geschäfte. Die Hofbediensteten beklagen nun, sie hätten für die Ankäufe erhebliche Kredite aufgenommen, das Geschirr aber teilweise schon abgegeben und würden es nicht mehr zurückbekommen. So schließt man einen Kompromiss nach welchem den Beschäftigten genehmigt wird, in einem Zeitraum von acht Tagen nach den Märkten Geschirr zu veräußern.
Motive für Münchner Maler
Nachdem das Kröninger Geschirr in der bayerischen Hofküche allgegenwärtig ist, interessiert sich früher oder später auch der kurbayerische Hofmaler dafür. Peter Jakob Horemans kommt im Jahr 1700 in Antwerpen zur Welt und erhält bei seinem älteren Bruder Jan seine künstlerische Ausbildung. Nach Jahren der Wanderschaft lässt er sich 1725 als Maler in München nieder. Schon im Rentenalter von 65 Jahren wird er zum Hofmaler ernannt. Sein Schaffen konzentriert sich nun auf Porträts, Gruppenbilder sowie Szenen von Festen der Kurfürsten Karl Albrecht und Max III. Joseph. Daneben sind von dem Künstler zahlreiche Stillleben und Küchenszenen erhalten, heute eine Fundgrube für Volkskundler. Die Bayerische Staatsgemäldesammlung besitzt allein 15 Bilder aus der späten Schaffensperiode Horemans?, auf denen Kröninger Keramik zu sehen ist.
Aber nicht nur der Hofmaler, auch andere berühmte Münchner Kollegen des 19. Jahrhunderts kommen an dem niederbayerischem Geschirr nicht vorbei. Auf dem Gemälde von Wilhelm Leibl ?Die drei Frauen in der Kirche? aus dem Jahr 1881 sieht man zu den Füßen der Beterinnen einen braunen Bludser, der sicher zum Transport von Weihwasser benutzt wird. Und auch Carl Spitzweg, ein enger Gefährte von Eduard Schleich d. Ä. aus Haarbach hat den Kröninger Erzeugnissen im 1839 ein Denkmal gesetzt. In der Stube des ?Armen Poeten? steht auf dem Ofen eine Schüssel und dahinter ein Topf mit Deckel, denen Lambert Grasmann zweifelsfrei die Kröninger Herkunft bescheinigt.
All diese Begebenheiten unterstreichen den hohen Stellenwert, welche die Erzeugnisse aus dem Kröning und von der Bina im gesamten Kurfürstentum Bayern und darüber hinaus genießen. Es ist also keine Übertreibung, die niederbayerischen Hafner als die Marktführer auf dem Gebiet der ländlich-gediegenen Keramikerzeugnisse zu bezeichnen.