Wichtige Dienstleister mit schlechtem Ruf

Karrenzieher und Kraxenträger für die Verbreitung der Kröninger Ware unentbehrlich

 

Vilsbiburg. Die Hafnerware und ihr Vertrieb stehen über Jahrhunderte hinweg im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses in Bayern und den benachbarten Staaten. Immer wieder fühlt sich die Amtsgewalt der unterschiedlichsten Regionen aufgerufen, den überbordenden Geschirrhandel in geordnete Bahnen zu lenken. Im Jahr 1801 wird sogar die Administration des Kurfürstentums Bayern tätig. Die hohen Herren gießen ihre geistigen Bemühungen in eine Verordnung mit dem seltsamen Titel ?Wegen denen mit Kröninger Geschirr handelnden Tirolern? und geben damit ein aufschlussreiches Beispiel, wie schlecht beleumundet gerade jene Menschen sind, die mit hohem körperlichen Einsatz einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung der Hafnerkeramik über weite Strecken leisten.

 

Der einschlägige Gesetzestext schildert zunächst, die Staatsverwaltung habe in Erfahrung gebracht, ? [?] daß die mit dem so genannten Kröninger Geschirr ? handelnden Tiroler das ganze Land in der Länge und Quer durchstreifen, und nebst ihren Karren ganze Familien mitschleppen, welche wegen ihren Bettel und [?] anderen Unfugen dem Landmann eine große Plage sind.? Sodann folgen die rigiden Maßnahmen: ?So werden sämtliche Churfürstliche sowohl als ständische Obrigkeiten, besonders aber die auf den Grenzen entlegenen dahin angewiesen, daß [?]  diesen [?]  dem Staate eben so lästig als dem Landmann schädlichen Tirolern der Eintritt ins Land verboten, sollte derselbe aber im Lande schon angetroffen werden, sogleich aus dem Lande zurück [?]  verwiesen, auf weiters betreten aber als bloße Vaganten behandeln sollen.?

 

So markig diese Verordnung auch klingt, so unvollständig wird sie in Bayern umgesetzt. Die Händler sind weiter unterwegs, allerdings hat man erreicht, die umher reisenden Landfahrer in die Illegalität zu drängen. Wobei der Begriff ?fahren? nicht in der heutigen Bedeutung zu verstehen ist. Bis weit in das 19. Jahrhundert sind die ?Karrner? meist mit einachsigen Vehikeln unterwegs, die als Wohnung und Transportmittel gleichermaßen dienen und die, falls nicht über den seltenen Luxus eines Hundegespanns verfügt werden kann, von den Familienmitgliedern mit eigener Muskelkraft gezogen werden. Und das von über hunderte Kilometer, über die Alpenpässe von Südtirol bis in den Kröning und wieder zurück!

 

?Unehrlicher Beruf?

 

Wer ohne Familie ist und keinen Karren sein eigen nennt, ist vielleicht als Kraxenträger unterwegs. Ludwig Albrecht beschreibt in der ?Vilsbiburger Museumsschrift Nr. 9? unter dem Titel ?Wenn ein Geschirrhändler hinfällt, steht ein Bettelmann wieder auf? das entbehrungsreiche, gefahrvolle Dasein dieser Menschen. In der Ständegesellschaft des Mittelalters und in der frühen Neuzeit gehört diese Bevölkerungsgruppe, wie auch Spielleute, Scherenschleifer, Abdecker und Scharfrichter, zu den so genannten ?Unehrlichen Berufen?. Die übrige Gesellschaft nimmt zwar ihre Dienste in Anspruch, grenzt aber sonst die als ?herrenlos? geltenden Bevölkerungsschichten vollständig aus. Wie Museumsleiter Lambert Grasmann in der Vilsbiburger Museumsschrift Nr. 15 berichtet, herrscht noch heute im Südtiroler Vintschgau eine verschämte Einsilbigkeit, wenn man nach den dort beheimateten Geschirrhändlern fragt. Eine Integration in die Mehrheitsgesellschaft oder gar ein sozialer Aufstieg ist für die ?Fahrenden? weitgehend ausgeschlossen. Wenn sie heiraten, dann meist nur untereinander. So setzt sich die Zugehörigkeit zur untersten und verachteten Schicht der Bevölkerung über Generationen fort, es verfestigt sich eine ?Kultur der Armut?.

 

Frühe bürokratische Hürden

 

Nicht nur für Verbraucher, auch für die Hafnermeister sind die fahrenden Geschirrhändler unentbehrliche Dienstleister. Sie ersparen ihnen die zeitraubenden und beschwerlichen Reisen zu den Jahrmärkten, wo sie fast regelmäßig mit unerbittlichen Regeln für den Geschirrverkauf konfrontiert werden, die letztlich nur die Konkurrenz für einheimische Betriebe begrenzen sollen. Aber auch die Tätigkeit der Karrenzieher und Kraxenträger überzieht man schon im 18. Jahrhundert mit bürokratischen Hürden. So verlangt man von ihnen Bescheinigungen, dass in ihren Heimatorten ?eine reine, frische und gesunde Luft existiert?, also keine ansteckenden Krankheiten grassieren. Vielleicht hängt diese Vorschrift auch damit zusammen, dass die Händler nicht mit leeren Transportgefäßen in den Kröning kommen, sondern begehrte Artikel aus ihrer Heimat, beispielsweise Messer, Gürtel und andere Trachtenteile anbieten.

 

Insgesamt ist diese Facette des Handels mit Kröninger Geschirr bislang nur ansatzweise erforscht, vielleicht auch deshalb, weil es viele namenlose ?Fahrende? gibt, die kaum Spuren hinterlassen. Es muss aber doch eine bedeutende Zahl von Menschen auf diese Weise ihr armseliges Dasein bestritten haben, sonst hätte sich wohl kaum die bayerische Regierung mit ihnen befasst. Und dies beweist um Umkehrschluss wieder die enorme Bedeutung der Kröninger und Binataler Keramikproduktion in früheren Jahrhunderten.

 

 

 

Der Kupferstich aus dem 17. Jahrhundert zeigt einen Geschirrträger, der die Ware in einer Rippenkraxe befördert. (Quelle: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
?Die Karrenzieher? hat der sozialkritische Maler Mathias Schmid dieses Gemälde aus dem Jahr 1872 benannt. (Quelle: Luger, Petra R.: ?Mathias Schmid ? ein Tiroler Maler in München?, 1999)