Die USA im I. Weltkrieg
Mitten im Krieg
Unsere Kenntnis vom Ersten Weltkrieg bleibt auch 100 Jahre nach seinem Ausbruch überraschend einseitig. Unser Bild ist nach wie vor geprägt durch die Kämpfe an der Westfront, durch Bilder von endlosen Schützengräben, vom Stellungskrieg und von den hoch technisierten Abnutzungsschlachten an der Somme und um Verdun. Zu einem globalen Konflikt wurde der I. Weltkrieg nicht erst mit dem Eintritt der USA 1917, sondern bereits dadurch, dass Frankreich und Großbritannien auf ihre kolonialen Imperien zurückgriffen, die ein Viertel der Weltbevölkerung stellten.
Erst nach langem Zögern, schickten die USA inmitten des Kriegsjahres 1917 ihre Truppen auf das große europäische Schlachtfeld. Sie brachten die Wende, doch Präsident Woodrow Wilsons Traum vom gerechten Frieden scheiterte.
Die entscheidende deutsche Waffe, die letztendlich die USA in den I. Weltkrieg drängt sind die kleinen deutschen Unterseeboote, mit maximal 50 Metern Tauchtiefe und bis zu 16 Stunden unter Wasser fahren können. Sie entdecken die Handelsschiffe, machen ihre Torpedos scharf und bringen sie in eine möglichst gute Schussposition. In Deutschland ist Alfred von Tirpitz, der später zum Großadmiral aufsteigt, der Prophet der Flottenrüstung. Allerdings sehen er, noch sein Amerikanischer Kollege, der US-Marinestratege Alfred Mahan voraus, welche Logik der I. Weltkrieg entfaltet. Beide erwarten, dass die Schlachtflotte mit ihren Linienschiffen und schweren Kreuzern über die Herrschaft auf See entscheiden werden. Die Britische Seeblockade ist ungemein wirksam, sie nutzen die optimale geostrategische Lage. Und unterbrechen jeglichen Überseehandel mit den Mittelmächten. Die Deutschen haben gehofft, dass der Handel im Krieg weiter über die Niederlande abgewickelt werden kann. Die Versorgung im Deutschen Reich wird umso schlechter, je länger der Krieg dauert.
Am 4. Februar 1915 verschärft Deutschland den Seekrieg deshalb noch. Um die britischen Inseln wird ein Sperrgürtel gelegt und die deutsche Reichsleitung verkündet, dass von jetzt an deutsche U-Boote jedes feindliche Handelsschiff und jeden feindlichen Passagierdampfer ohne Vorwarnung angreifen und versenken. Die Strategen erhofften sich davon, dass die Unterbindung der überseeischen Einfuhren das von Getreide- und Rohstoffimporten abhängige England mit so großen Versorgungsproblemen konfrontiert wird, dass sie schon innerhalb von wenigen Wochen zum Einlenken und um einen Frieden bitten werden.
Die amerikanische Regierung lässt umgehend wissen, dass sie Deutschland für Schäden haftbar machen werde, sollten neutrale Schiffe untergehen. Dieses lässt nicht lange auf sich warten, am 7. Mai 1915 versenkt das deutsche U-Boot U-20 den britischen Passagierdampfer ?Lusitania? wobei 1198 Menschen umkommen, darunter 128 amerikanische Staatsbürger. Der amerikanische Präsident fordert Genugtuung und die Deutschen versprechen, fortan Angriffe auf neutrale Schiffe zu unterlassen. Doch schon am 19. August 1915 wird von U-20 der Dampfer ?Arabic? torpediert und auf den Meeresgrund geschickt, 44 Menschen sterben, darunter drei Amerikaner. Und wieder protestieren die USA und wieder gelobt die deutsche Regierung, Passagierschiffe künftig zu verschonen. Am 24. März 1916 torpediert das deutsche U-Boot UB-29 die französische Passagierfähre ?Sussex? im Ärmelkanal, mindestens 50 Tote; unter den Verletzten sind mehrere Amerikaner. Das diplomatische Verhältnis zwischen Amerika und Deutschland ist zum Zerreißen angespannt. Allmählich fällt der Amerikanische Präsident die Rolle des Vermittlers zu, der Auswege aus dem Krieg sucht. Die USA haben sehr klar gemacht, dass sie einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg nicht dulden werden. Trotzdem wagt Deutschland am 1. Februar 1917 genau dieses Abenteuer ? gegen den Willen des Reichskanzlers Bethmann Hollweg. Damit unterliegt die Politik in der schwerwiegenden Frage des Krieges dem Willen des Militärs.
?Der verschärfte U-Bootkrieg? schreibt der Vilsbiburger Anzeiger am 14. Februar 1917: Bis zum 6. Februar waren bei Lloyds Meldungen über den Verlust von 146 Schiffen eingelaufen, die seit dem 1. Februar versenkt oder verunglückt sind. Die Lebensmittelzufuhr für England aus Holland und Skandinavien hat seit acht Tagen völlig aufgehört. In den letzten drei Tagen sind 41 Schiffe mit 75 000 Tonnen versenkt worden?.
Tief enttäuscht und verletzt nimmt Präsident Wilson die Ankündigung zum totalen U-Bootkrieg zur Kenntnis. Unvermeidlich muß Amerika nun Krieg führen, um den Krieg zu entscheiden. Zum 3. Februar 1917 bricht Amerika die diplomatischen Beziehungen mit dem deutschen Kaiserreich ab, aber der eigentliche Kriegsgrund ist noch nicht da. Am 6. April 1917 erklärt Amerika nach der Versenkung amerikanischer Schiffe durch deutsche U-Boote und dem Versuch des Deutschen Reiches, Mexiko gegen die USA zu mobilisieren dem Dreierbund den Krieg. Mehr als zwei Millionen US-Soldaten kommen in Europa zum Einsatz und verstärkten die erschöpften Briten. Zunächst sollen alle verfügbaren technischen Truppen des amerikanischen Heeres nach Frankreich abgehen, da ihre Mitwirkung augenblicklich am wertvollsten ist. Sie sollen gewaltige Vorräte der neuesten technischen Kriegsmittel mitbringen.
Die Verschärfung der Zensurvorschriften aus dem Kriegspresseamt ließ es sicherlich nicht zu, dass die Medien im großen Stil über die Kriegserklärung der Amerikaner berichten. Im Vilsbiburger Anzeiger wird am 7. April 1917 erstmals in einem kurzen Bericht über ?Der Kriegszustand mit Amerika? geschrieben. Der amerikanische Kongress hat mit 372 zu 50 Stimmen für den Kriegszustandsantrag gestimmt. ?Die österreichisch-ungarischen Vertreter in Washington erhielten den Auftrag, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen und abzureisen. Der Krieg, den Präsident Wilson mit Deutschland führt, berührt alle Verbündeten?.
Langsam wendet sich der Krieg. Die Alliierten haben eine Strategie gegen den totalen U-Boot Krieg der Deutschen gefunden. Die amerikanische Flotte fasst jetzt ihre Handelsschiffe zu Geleitzügen zusammen und schützt sie mit Kriegsschiffen. Sofort nach der Annahme der Kriegsresolution durch den Kongress wurde angeordnet, dass die deutschen Schiffe in Ney York, Boston, Baltimore und New-London beschlagnahmt werden. Präsidenten Wilson wird aufgefordert, er solle die Initiative ergreifen, zum Abschluss eines Ententevertrages mit Amerika, wonach kein deutsches Erzeugnis in den Ententeländern zugelassen und kein bedeutendes Wertpapier an den Börsen gehandelt werde, bis Deutschland allen Schaden gutgemacht hat, den es Belgien, Frankreich, Serbien, Rußland und Rumänien zugefügt hat. Im Sommer 1918 greifen US-Divisionen geballt in die Kämpfe auf dem europäischen Kriegsschauplatz ein, ohne dass die deutschen U-Boote die großen Seetransporte ernsthaft gefährdet haben. Gemeinsam mit den Alliierten bringen die US-Truppen die letzte deutsche Offensive zum Stehen. Am Ende sterben 118.000 amerikanische Soldaten in einem europäischen Krieg; 204.000 sind verwundet.
Peter Käser